Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie ist das Homeoffice mittlerweile in vielen Unternehmen auch mittel- und langfristig nicht mehr aus dem Arbeitsleben und der Personalplanung wegzudenken. Arbeitsschutzrechtliche Fragen wurden und werden bei der Einführung und Umsetzung von entsprechenden Konzepten jedoch oftmals nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei stellen sich in diesem Zusammenhang zahlreiche rechtliche und praktische Fragen, die schon bei der Konzeptionierung von Homeoffice als Arbeitsmodell in den Blick genommen werden sollten. Wir stellen in unserem Blog-Beitrag die wichtigsten Leitlinien für das „klassische“ Homeoffice, die mobile Arbeit und die Telearbeit vor:
Arbeitsschutz gilt auch bei Arbeitsleistung außerhalb des Betriebs
Wenn es um Arbeitsschutz außerhalb des Betriebs geht, sind Arbeitgeber:innen oft nicht ausreichend für die entsprechenden arbeitsschutzrechtlichen Fragen sensibilisiert. Nach Ausgabe der Arbeitsgeräte wie Laptop und Handy verschwinden die Beschäftigten teils monate- oder sogar jahrelang im Homeoffice – doch was ist mit der Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung, die im Betrieb selbst zum arbeitsschutzrechtlichen Standard gehört? Haben Arbeitgeber:innen diese und weitere arbeitsschutzrechtliche Themen nicht auf dem Schirm, birgt dies nicht unerhebliche (Haftungs-)Risiken.
Das deutsche Arbeitsschutzniveau ist bekanntermaßen hoch, weshalb es wenig verwundert, dass arbeitsschutzrechtliche Vorgaben grundsätzlich auch dann gelten, wenn Arbeitnehmer:innen ihre Arbeitsleistung nicht im Betrieb erbringen.
Homeoffice, mobile Arbeit und Telearbeit
Welches Schutzniveau konkret gilt, hängt wesentlich davon ab, ob es sich bei dem gewählten Arbeitsmodell um „klassisches“ Homeoffice, um mobiles Arbeiten oder um Telearbeit handelt. Dabei gilt es zwischen diesen Arbeitsformen zu differenzieren und die sich unterscheidenden arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben jeweils herauszuarbeiten. Dies ist in der Praxis oft mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da Homeoffice, mobile Arbeit und Telearbeit nicht immer klar voneinander abgrenzbar sind.
Auch wenn er im alltäglichen Sprachgebrauch inzwischen sehr geläufig ist, findet sich der Begriff „Homeoffice“ (bisher) nicht im Gesetz wieder. Gemeint ist die regelmäßige, gelegentliche oder vorübergehende Verrichtung der Arbeitsleistung von Zuhause – egal ob im Arbeitszimmer oder am Küchentisch. „Mobile Arbeit“ meint das Arbeiten von jedem Ort außerhalb des Büros oder des Betriebs. Dabei findet mobile Arbeit regelmäßig unter Verwendung von Laptop und Smartphone statt, die ein Arbeiten fernab vom betrieblichen Arbeitsplatz, z.B. am Flughafen, in der Bahn, im Café oder aber auch Zuhause, ermöglichen. Hier gilt aufgrund der Vielzahl möglicher Arbeitsplätze ein geringeres Arbeitsschutzniveau und damit weniger Verpflichtungen für Arbeitgeber:innen. Versuche, Homeoffice als mobile Arbeit zu deklarieren, um die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten möglichst gering zu halten, sollten jedoch unterbleiben, wenn Arbeitgeber:innen wissen, dass ihre Arbeitnehmer:innen de facto nur oder weit überwiegend von Zuhause aus arbeiten.
Neben Homeoffice und mobiler Arbeit gibt es noch den sogenannten „Telearbeitsplatz“. Dabei handelt es sich um einen vom Arbeitgeber fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich des Beschäftigten. Die arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen, denen Arbeitgeber:innen gerecht werden müssen, sind bei Telearbeitsplätzen verglichen mit regulären Homeoffice-Arbeitsplätzen und mobilen Arbeitsplätzen deutlich höher, weshalb die Abgrenzung hohe praktische Bedeutung hat.
Was sind Telearbeitsplätze?
Bei Telearbeitsplätzen müssen Arbeitgeber:innen zusätzlich jedenfalls teilweise die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) einhalten. Diese legt auch die Voraussetzungen fest, unter denen ein Arbeitsplatz als Telearbeitsplatz gilt. Beim Telearbeitsplatz handelt es sich um vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt sind und die benötigte Ausstattung durch den Arbeitgeber bereitgestellt und installiert ist (vgl. § 2 Abs. 7 ArbStättV).
Eine Vereinbarung über das Arbeiten außerhalb des Betriebs ist aus Arbeitgebersicht stets zu empfehlen – nicht nur wegen des Arbeits- und Arbeitszeitschutzes, sondern auch um datenschutzrechtliche Anforderungen zu wahren und im Fall der Fälle die Rückkehr von Arbeitnehmer:innen in den Betrieb durchsetzen zu können. Kern der Abgrenzung zwischen Telearbeitsplätzen und regulären Homeoffice-Arbeitsplätzen ist daher das Kriterium der Bereitstellung von Ausstattung durch den Arbeitgeber. Stellt der Arbeitgeber nur Laptop und Smartphone zur Verfügung, wird nach derzeit herrschender Meinung die Schwelle zur Telearbeit noch nicht überschritten. Wird dagegen auch Mobiliar in die Wohnung der Arbeitnehmer:innen gebracht, ist eine Qualifikation des Arbeitsplatzes als Telearbeitsplatz wahrscheinlich.
Arbeitsschutz für Telearbeitsplätze
Die Arbeitsstättenverordnung stellt konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz für Telearbeitsplätze. Daraus ergibt sich die Pflicht, Gefährdungsbeurteilungen bei der erstmaligen Errichtung eines Telearbeitsplatzes durchzuführen (§ 3 ArbStättV). Allerdings muss diese – anders als bei betrieblichen Arbeitsplätzen – nicht regelmäßig wiederholt werden. Aufgrund der Gefährdungsbeurteilung hat nach § 6 ArbStättV eine Unterweisung der Beschäftigten zu erfolgen, wobei insoweit dieselben Grundsätze wie im betrieblichen Zusammenhang gelten. Ferner finden für Telearbeitsplätze auch die Vorgaben zur Bildschirmarbeit Anwendung, die z.B. Neigungswinkel und minimale Beinfreiheit vorgeben. In der Praxis sind gerade diese detaillierten Vorgaben für Arbeitgeber:innen besonders schwer einzuhalten und zu kontrollieren, da sich der jeweilige Arbeitsplatz außerhalb der betrieblichen Sphäre befindet.
Arbeitsschutz bei Homeoffice
Bei Homeoffice-Arbeitsplätzen, die nicht als Telearbeitsplätze zu qualifizieren sind, findet die ArbStättV nach derzeitiger Rechtslage keine Anwendung. Auch hier besteht zwar aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung und zur Unterweisung der Beschäftigten, die zusätzlichen Vorgaben zur Bildschirmarbeit sind jedoch durch die Arbeitgeber:innen nicht zwingend einzuhalten. Dies gilt nach dem Wortlaut der ArbStättV selbst dann, wenn Arbeitgeber:innen überhaupt keine oder nur noch wenige Arbeitsplätze im Betrieb bereitstellen, so dass die Arbeitnehmer:innen faktisch im Homeoffice arbeiten müssen. Es ist jedoch durchaus wahrscheinlich, dass diese Regelungslücke vor dem Hintergrund der zunehmenden praktischen Bedeutung des Homeoffice in näherer Zukunft geschlossen wird.
Arbeitsschutz bei mobiler Arbeit
Auch bei mobiler Arbeit gilt die ArbStättV nicht. Erbringen die Beschäftigten ihre Arbeitsleistung ortsunabhängig am Laptop, sind sie für die Einrichtung ihres Arbeitsplatzes grundsätzlich selbst verantwortlich. Die vom Arbeitgeber dennoch nach dem ArbSchG zu fertigende Gefährdungsbeurteilung ist hier eher allgemeinerer Natur und befasst sich beispielsweise mit psychischen Belastungen, die durch die Arbeit an wechselnden Arbeitsplätzen außerhalb des Betriebs entstehen, sowie mit erwartbaren physischen Belastungen (z.B. fehlende Ergonomie, Störungen durch Umgebungsgeräusche).
Übergreifende arbeitsschutzrechtliche Anforderungen
Der gesetzliche Arbeitszeitschutz gilt bei Telearbeit, mobiler Arbeit und Homeoffice gleichermaßen. Die Höchstarbeitszeiten, Pausen- und Ruhezeiten des Arbeitszeitgesetzes sowie das Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit sind auch bei diesen Arbeitsformen einzuhalten. Aus praktischer Sicht, insbesondere im Hinblick auf § 16 Abs. 2 ArbZG, wonach Überstunden aufzuzeichnen sind, sollten die Beschäftigten zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten vertraglich verpflichtet werden. Arbeitgeber:innen sollten die Einhaltung der Arbeitszeiten jedenfalls stichprobenartig kontrollieren.
Eine arbeitsschutzrechtliche Anforderung, die in der Praxis oft übersehen wird, ist die Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der elektronischen Betriebsmittel nach der DGUV-Vorschrift 3. Es gilt insoweit für die gängigen elektronischen Arbeitsmittel wie PC und Bildschirm eine Höchstfrist von 24 Monaten, unabhängig davon, ob die jeweiligen Betriebsmittel im Rahmen der Telearbeit, des Homeoffice oder der mobilen Arbeit zum Einsatz kommen.
Wer muss auf die Einhaltung des Arbeitsschutzes achten?
Grundsätzlich müssen die Arbeitgeber:innen für die Einhaltung des Arbeitsschutzes Sorge tragen. Die Arbeit ist so auszugestalten, dass eine Gefährdung für die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden wird (vgl. § 4 Nr. 1 ArbSchG). Neben Arbeitgeber:innen sind aber auch die Beschäftigten verpflichtet, an der Einhaltung des Arbeitsschutzes mitzuwirken (vgl. §§ 15-17 ArbSchG).
Um ihren rechtlichen Verpflichtungen tatsächlich nachkommen zu können, bedarf es eines Zugangsrechts zum häuslichen Arbeitsplatz für Arbeitgeber:innen. Da ein generelles Zugangsrecht zum häuslichen Arbeitsplatz allerdings nicht existiert, sollten Arbeitgeber:innen sich ein solches vertraglich einräumen lassen. Erst dann ist für Arbeitgeber:innen eine Überprüfung der Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben im Homeoffice (jedenfalls stichprobenartig) tatsächlich möglich. Um die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung zu gewährleisten, sind die Voraussetzungen eines Zugangsrechts klar und eindeutig festzulegen.
Werden arbeitsschutzrechtliche Vorgaben nicht eingehalten, drohen Arbeitgeber:innen und deren gesetzlichen Vertretern auch bei Verstößen im Homeoffice, bei mobiler Arbeit oder bei Telearbeit Bußgelder, Geld- und im Extremfall sogar Freiheitsstrafen. Im Falle eines Schadensereignisses können Arbeitgeber:innen sich Schadensersatzansprüchen der Beschäftigten und Regressansprüchen der Unfallversicherungsträger ausgesetzt sehen. Zudem kann sich die Nichteinhaltung der gesetzlichen Arbeitsschutzvorgaben auch rufschädigend für Arbeitgeber:innen auswirken. Es empfiehlt sich daher, bei der Konzeptionierung des jeweiligen Arbeitsmodells den Arbeitsschutz von Beginn an mit einzublenden.
Ausblick: Gesetzliche Neuregelung?
Im Januar 2022 hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil neuen Wind in die Debatte um ein „Recht auf Homeoffice“ gebracht. Auch wenn dieses Vorhaben dem Koalitionsvertrag nicht klar zu entnehmen ist, strebt der Minister wohl weiterhin die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Homeoffice an und zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierungs-Koalition “moderne Regeln für mobiles Arbeiten in Deutschland und einen Rechtsanspruch auf Homeoffice“ schaffen werde. Den Äußerungen des Ministers war ferner zu entnehmen, dass auch der Arbeitsschutz im Homeoffice eine Neuregelung erfahren soll. Wie dies konkret aussehen könnte, bleibt allerdings abzuwarten.
Unsere Practice Group HR Compliance und Arbeitsschutz berät Sie sehr gerne zu diesem Thema.