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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

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Arbeitsrecht à la carte – Entwicklungen für die Praxis

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In der Zeit vom 01.03. bis 31.05.2026 ist es wieder soweit: Für Betriebe mit Betriebsrat stehen die turnusmäßigen Betriebsratswahlen an, jedenfalls sofern der aktuell amtierende Betriebsrat am 01.03.2026 bereits mindestens ein Jahr im Amt ist. Ein Blick in die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass es auch für Arbeitgeber und ihre Personalabteilungen sinnvoll ist, sich hiermit beizeiten auseinanderzusetzen. Lassen Sie uns gemeinsam einen pointierten Blick auf relevante Entwicklungen werfen.

I. Wer darf wählen?

1. Keine Monogamie in der Betriebsverfassung

Ihren Betriebsrat dürfen alle Arbeitnehmer eines Betriebs wählen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Eine exklusive Betriebszugehörigkeit wird dabei oft die Regel sein, zwingend ist dies aber keinesfalls, denn Arbeitnehmer können durchaus in mehreren Betrieben wahlberechtigt sein. Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer bereits in einen Betrieb eingegliedert und damit dort wahlberechtigt ist, steht seiner Wahlberechtigung in einem weiteren Betrieb nicht entgegen (BAG, 22.05.2025 – 7 ABR 28/24; dazu unser Kollege Walter Born in einem Quick-Pick). Insbesondere in Matrix-Strukturen ist deshalb eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit der Frage nach der tatsächlichen Eingliederung in einen oder mehrere Betriebe erforderlich.

Die Verantwortung für die Anfertigung der Wählerliste liegt beim Wahlvorstand, der Beitrag des Arbeitgebers beschränkt sich auf eine Zuarbeit. Konkret sind dem Wahlvorstand alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es ist ratsam, hier Sorgfalt walten zu lassen. Da das aktive und passive Wahlrecht nur den in der Wählerliste eingetragenen Arbeitnehmern zusteht, kommt den vom Arbeitgeber an den Wahlvorstand übermittelten Informationen – insbesondere zur Frage, wer Arbeitnehmer des Betriebs ist – große Bedeutung zu. Will der Arbeitgeber eine Wahl aufgrund einer unrichtigen Wählerliste anfechten, kann er dies konsequenterweise nur tun, sofern diese nicht auf seinen eigenen Angaben basiert. Mit anderen Worten: Fehler, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht selbst produziert hat, kann er gegen die Wahl nicht einwenden.

2. Betriebspartnerschaft braucht klare Fronten

Wenn es um die Wahl der Repräsentanten der Arbeitnehmer geht, versteht sich eigentlich von selbst, dass die Verkörperung des Arbeitgebers oder ein besonderes Näheverhältnis zu diesem hiermit nicht in Einklang zu bringen ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass neben leitenden Angestellten gem. § 5 Abs. 3 BetrVG auch die in § 5 Abs. 2 BetrVG aufgelisteten Personengruppen nicht wahlberechtigt sind. So sind bspw. die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, von der Wahl zum Betriebsrat ausgeschlossen.

II. Wo wird gewählt?

Die Frage nach dem „Betrieb“ im Sinne der Betriebsverfassung erinnert nicht selten an das berühmte Diktum „I know it when I see it“ (Jacobellis v. Ohio, 378 U.S. 184 [1964]): Intuitiv scheint es evident, doch bei genauerem Hinsehen verschwimmen die Konturen. Neben der grundlegenden Frage, welche Personen als Arbeitnehmer des Betriebs wahlberechtigt sind, stellt sich in der Praxis regelmäßig die noch diffizilere Herausforderung, wo zutreffenderweise die betriebsratsfähige Organisationseinheit liegt, in der ein (eigenständiger) Betriebsrat gewählt werden kann.

1. Remote-City-Strukturen

Im Falle eines Unternehmens, das in verschiedenen Städten in Deutschland Essensbestellungen von Restaurants zu Kunden liefert, erklärte das LAG Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 07.08.2024 (6 TaBV 20/23) die Wahl eines Betriebsrats in einer sog. „Remote-City“ aufgrund der Verkennung des Betriebsbegriffs für anfechtbar.

Hinter dem Begriff „Remote-City“ verbirgt sich dabei nichts anderes, als dass es sich um eine Stadt (Kiel) handelt, in der zwar Auslieferungsfahrer Essenbestellungen zu Kunden liefern, die Leitung dieser Mitarbeiter in personellen und sozialen Angelegenheiten allerdings vom (Haupt-) Standort in Hamburg aus erfolgte. Am Standort in Hamburg beschäftigt die Arbeitgeberin neben Auslieferungsfahrern auch sog. Staff-Mitarbeiter, die vor Ort in Betriebsräumen Verwaltungs- und Back-Office-Tätigkeiten verrichten und unmittelbare Ansprechpartner der Auslieferungsfahrer (Hamburg und Kiel) für Krankmeldungen, Urlaubsgewährung und –planung, die Überarbeitung der Schichtplanung der Fahrer sowie Entscheidungen über Abmahnungen und Entlassungen sind. In der „Remote-City“ Kiel dagegen gibt es weder Betriebsräume noch Staff-Mitarbeiter.

Das LAG Schleswig-Holstein begründete die erfolgreiche Wahlanfechtung, bei der ausschließlich die Auslieferungsfahrer in Kiel einen Betriebsrat für den Standort Kiel gewählt hatten, damit, dass der Wahlvorstand verkannt habe, dass in Kiel kein Leitungsapparat existiert, der Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten trifft, so dass kein eigenständiger Betrieb vorliege. Zudem liege auch kein selbstständiger Betriebsteil vor, da es an einem Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb in Hamburg fehle, insbesondere weil in Kiel keinerlei Leitungsfunktion vor Ort ausgeübt werde.

Als sog. Remote-City war Kiel somit nur zusammen mit Hamburg als betriebsratsfähige Organisationseinheit anzusehen, so dass eine ausschließlich auf die in Kiel tätigen Arbeitnehmer begrenzte Betriebsratswahl unzulässig und damit erfolgreich durch den Arbeitgeber anfechtbar war.

2. Stationierungsorte für Cockpit- und Kabinenpersonal im Inland

Mit der Frage, ob es sich bei Stationierungsorten für Cockpit- und Kabinenpersonal (nicht: Bodenpersonal) von Fluggesellschaften an Flughäfen um betriebsratsfähige Organisationseinheiten handelt, befasste sich das LAG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 15.10.2024 (11 TaBV 295/24; Rechtsbeschwerde beim BAG anhängig unter 7 ABR 7/25).

Da im konkreten Fall die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten nicht von einer einheitlichen Leitung am Flughafen, sondern von der Konzernzentrale in Irland und dem Unternehmenssitz in Malta ausgeübt wurden, handelte es sich beim Stationierungsort am Flughafen BER nicht um einen Betrieb.

Allerdings, so das LAG Berlin-Brandenburg, handele es sich sehr wohl um einen qualifizierten Betriebsteil im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, auch wenn sich der Hauptbetrieb im Ausland befindet. Das Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb sah das Gericht als gegeben an: Der Stationierungsstandort verfügte über einen eigenen Arbeitnehmerstamm von Cockpit- und Kabinenpersonal sowie Räumlichkeiten samt Einrichtung als organisatorische Zusammenfassung sachlicher und immaterieller Betriebsmittel. Zudem erhielten die Arbeitnehmer fachliche Weisungen von dem Base Captain und dem Base Supervisor, die die Vorgesetztenfunktion wahrnahmen, wobei eine zumindest rudimentäre Leitungsmacht ausreichend sei. Dass die im Ausland befindliche Personalabteilung die wesentlichen Entscheidungen einschließlich disziplinarischer Art trifft, sei dann unschädlich.

III. Wie wird gewählt?

Im Zusammenhang mit der Stimmabgabe kommt in der Praxis immer wieder die Frage auf, ob die Wahl zum Betriebsrat nicht auch vollständig als Briefwahl durchgeführt werden kann. Grundsätzlich sehen das Betriebsverfassungsgesetz und seine Wahlordnung vor, dass die Stimme persönlich an der Wahlurne abzugeben ist. Eine schriftliche Stimmabgabe, sog. Briefwahl, ist nur unter bestimmten, in § 24 WO-BetrVG geregelten Voraussetzungen zulässig, um eine sichere und geheime Wahl zu gewährleisten. 

So kann ein Wahlberechtigter Briefwahl verlangen, wenn er am Wahltag gehindert ist, seine Stimme im Betrieb abzugeben, § 24 Abs. 1 WO-BetrVG. Ferner kann der Wahlvorstand Wahlberechtigten, die im Zeitpunkt der Wahl aufgrund der Eigenart ihrer Beschäftigung (bspw. Mitarbeiter im Außendienst, Heimarbeit oder Telearbeit), § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO-BetrVG, oder aus anderen Gründen (etwa ruhendes Arbeitsverhältnis oder Arbeitsunfähigkeit) während des gesamten Wahlzeitraums voraussichtlich nicht im Betrieb sein werden, § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WO-BetrVG, auch ohne ihr Verlangen die Briefwahlunterlagen zukommen lassen.

1. Briefwahl wegen Eigenart der Beschäftigung

Mit seiner Entscheidung vom 23.10.2024 – 7 ABR 34/23 hat das BAG zur Fallgruppe der „Eigenart der Beschäftigung“ gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO-BetrVG klargestellt, dass auch Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie am Wahltag wegen Kurzarbeit oder wegen (grundsätzlich ausschließlicher oder überwiegender) mobiler Arbeit (Homeoffice) voraussichtlich nicht im Betrieb sein werden, zu den Mitarbeitern gehören, die wegen der Eigenart ihrer Beschäftigung vom Wahlvorstand Briefwahlunterlagen zur Verfügung gestellt bekommen müssen, ohne dass es eines Verlangens seitens des Wahlberechtigten gegenüber dem Wahlvorstand bedürfe.

Entscheidend ist, dass eine die Betriebsabwesenheit bedingende Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses objektiv vorliegt; ob diese sich wiederum aus einer (wirksamen) Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien oder einer (wirksamen) Weisung des Arbeitgebers ergibt, spielt keine Rolle. Ebenso ist irrelevant, ob die Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses dauerhaft oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum (befristet) besteht. Bei einem sich ggf. kurzfristig vor dem Wahlzeitpunkt ergebenden Tatbestand einer auf der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses beruhenden Betriebsabwesenheit von Wahlberechtigten kommt es darauf an, inwieweit diese als „voraussichtlich“ und dem Wahlvorstand „bekannt“ gewertet werden kann.

2. Keine Nachforschungspflicht, aber: Was man weiß, weiß man!

Die Kenntnis des Wahlvorstands vom Vorliegen der in § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (oder Nr. 2) WO-BetrVG geregelten Tatbestände ist damit Voraussetzung für eine Übersendung der Briefwahlunterlagen. Den Wahlvorstand trifft keine über seinen Kenntnisstand hinausgehende Überprüfungs- oder Nachforschungspflicht; der Verordnungsgeber hat insoweit auf das „Bekanntsein“ und nicht das „Kennenmüssen“ abgehoben.

Erlangt der Wahlvorstand aber aufgrund tatsächlich angestellter Nachforschungen hinsichtlich einer „an sich“ unter § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO-BetrVG fallenden Beschäftigtengruppe die Kenntnis, dass bestimmte Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Wahl im Betrieb anwesend sein werden, kann er diesen ohne entsprechendes Verlangen keine Briefwahlunterlagen zukommen lassen. Ihm ist deren Betriebsabwesenheit dann gerade nicht (mehr) „bekannt“. Versendet der Wahlvorstand gleichwohl ohne Verlangen Briefwahlunterlagen an diese Wahlberechtigten, kann dies einen Anfechtungsgrund begründen.

3. Grundsätzlich Präsenzwahl, ausnahmsweise Briefwahl

Für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, kann der Wahlvorstand nach § 24 Abs. 3 Satz 1 WO-BetrVG die schriftliche Stimmabgabe beschließen. Danach ist die generelle Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für bestimmte Betriebsbereiche nicht in das Ermessen des Wahlvorstands gestellt, sondern nur für solche zum Wahlbetrieb gehörenden Betriebsteile oder Kleinstbetriebe zulässig, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind.

§ 24 Abs. 3 WO-BetrVG stellt somit keine Grundlage für die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für den gesamten Betrieb, insbesondere nicht für den Hauptbetrieb dar. Das BAG stellte dies mit seiner Entscheidung vom 22.01.2025 – 7 ABR 23/23 jüngst klar und hielt eine Betriebsratswahl für anfechtbar, bei der der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe für den ganzen Betrieb beschlossen hatte.

Johannes Wicklerer
Johannes Wickler

Johannes Wickler ist spezialisiert auf betriebliche Altersversorgung, SE-Gründungen, Mitbestimmungsmanagement, die Gestaltung von Arbeitsverträgen, Auflösungsvereinbarungen sowie auf Unternehmensumstrukturierungen.

Dr. Anna Franziska Hauer

Dr. Anna Franziska Hauer ist spezialisiert auf Arbeitnehmerüberlassung, internationale Arbeitnehmerentsendung und Ausländerrecht, insbesondere in Bezug auf den Arbeitsmarktzugang ausländischer Mitarbeiter und Führungskräfte.

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