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Kann die Rechtsgrundlage für die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte einen Unterschied machen?
Ausgangslage
Der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist für Arbeitsrechtler ein alter Bekannter. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte haben. Dieser Anspruch besteht, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustandegekommen ist, wenn sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, wenn sie auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an der Speicherung einer zu Recht erteilten Abmahnung besteht. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich aufgrund Zeitablaufs die Warnfunktion der Abmahnung erledigt hat oder die Abmahnung für eine verhaltensbedingte Kündigung keine Bedeutung mehr haben kann.
In jedem Fall ist eine Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu entfernen.
Bislang hat die Rechtsprechung den Anspruch auf Entfernung der Abmahnung auf eine analoge Anwendung der §§ 242, 1004 BGB gestützt.
Entscheidung
Das LAG Hamm hat in seinem Urteil vom 13.09.2022 (Az. 6 Sa 87/22) einen anderen Weg eingeschlagen. In dem Fall ging es um den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entfernung von Abmahnungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung hat das LAG Hamm den Anspruch natürlich bejaht. Interessant ist nur die Anspruchsgrundlage, auf die das LAG Hamm den Anspruch stützt: es zieht nicht §§ 242, 1004 BGB analog heran, sondern stützt den Anspruch auf Art. 17 DS-GVO.
Art. 17 DS-GVO gibt jeder betroffenen Person, also demjenigen, um dessen Daten es geht, einen Anspruch auf Löschung der Daten, soweit sie für den Zweck, zu dem sie ursprünglich erhoben worden sind, nicht mehr benötigt werden. Auch wenn Art. 17 DS-GVO als Anspruch ausgestaltet ist, ist der Verantwortliche, also der Arbeitgeber, zur Löschung verpflichtet, sobald die betroffene Person Löschung verlangen könnte. Auf eine Geltendmachung des Anspruchs kommt es nicht an.
Konsequenzen
Auf den ersten Blick scheint es unerheblich zu sein, worauf man den Anspruch der Arbeitnehmer auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte stützt. §§ 242, 1004 BGB analog oder Art. 17 DS-GVO – wo soll der Unterschied sein? Die Anspruchsvoraussetzungen sind identisch.
Der Unterschied liegt in den Risiken der Nichtentfernung. Während ein Verstoß gegen §§ 242, 1004 BGB analog nicht schwer zu wiegen scheint, ist das bei einem Verstoß gegen Art. 17 DS-GVO anders.
Arbeitnehmer könnten Schadensersatzsansprüche vor allem wegen immaterieller Schäden (“Schmerzensgeld”) geltend machen (vgl. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO). Wir kennen diese Herangehensweise wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Verstöße gegen das Auskunftsrecht aus Art. 15 DS-GVO. Besonders schwer wiegt dabei die Umkehr der Beweislast. Nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO muss der Verantwortliche nämlich beweisen, dass er in keinerlei Hinsicht für den Schadenseintritt verantwortlich ist.
Im schlimmsten Fall könnten sich auch die Aufsichtsbehörden der Sache annehmen und ein Bußgeld nach Art. 83 DS-GVO verhängen.
Der Unterschied zwischen §§ 242, 1004 BGB analog und Art. 17 DS-GVO ist also nicht irrelevant. Arbeitgeber sollten sich der Gefahren, die aus der Nichtentfernung einer Abmahnung aus der Personalakte resultieren können, bewusst sein. Insbesondere sollte ein Prozess etabliert werden, der sicher stellt, dass Personalakten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dahingehend sortiert werden, welche Unterlagen noch gespeichert werden dürfen (oder müssen) bzw. gelöscht werden müssen.
Dr. Michael Witteler ist spezialisiert auf datenschutzrechtliche Angelegenheiten an der Schnittstelle von Arbeitsrecht und Datenschutz. Er ist Head der PWWL Practice Group Data & Privacy.