Das Bundesarbeitsgericht hat am 8. November 2022 entschieden, dass die Nachkündigungen des Kabinenpersonals der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin grundsätzlich wirksam sind (Urteil vom 08.11.2022 – 6 AZR 15/22). Der erste Kündigungsversuch im Jahre 2018 war an einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gescheitert wie das Bundesarbeitsgericht im Mai 2020 entschieden hatte (Urteil vom 14.5.2020 – 6 AZR 235/19). Beim Ausspruch der Nachkündigungen war die Massenentlassungsanzeige nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts sodann korrekt erstattet worden und die Kündigungen waren aufgrund der Stilllegung des Flugbetriebs sozial gerechtfertigt.
Air Berlin Insolvenz führte zu betriebsbedingten Kündigungen
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall stritten eine in Düsseldorf beschäftigte Flugbegleiterin und der Insolvenzverwalter der Arbeitgeberin – die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin – über die Wirksamkeit der nunmehr schon zweiten betriebsbedingten Kündigung. Über das Vermögen der Fluggesellschaft mit Sitz in Berlin und Stationen an verschiedenen Flughäfen war im November 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. In dessen Folge wurde die Klägerin sowie weitere Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt und betriebsbedingt gekündigt.
Unwirksamkeit einer ersten betriebsbedingten Kündigung aufgrund fehlerhafter Massenentlassungsanzeige
Gegenstand des vorangegangen Rechtsstreits war die erste betriebsbedingte Kündigung des Insolvenzverwalters im Jahre 2018. Das Bundesarbeitsgericht stellte in letzter Instanz für diese – sowie auch für gegenüber anderen Arbeitnehmern der Schuldnerin ausgesprochene Kündigungen – rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis dadurch nicht aufgelöst wurde, da die Kündigung aufgrund fehlerhafter Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG i.V.m. § 134 BGB unwirksam ist.
Wirksame Nachkündigung
Im Nachgang zu diesem Urteil entschloss sich der Insolvenzverwalter der Air Berlin die Kündigungen zu wiederholen, da er keine Möglichkeit der Wiedereröffnung des Geschäftsbetriebs sah. Im Rahmen einer weiteren Massenentlassung hatte er nach Durchführung der erforderlichen Verfahren – insbesondere der Erstattung der Massenentlassungsanzeige für die der Station Düsseldorf zugeordneten Arbeitnehmer bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf – den verbliebenen Beschäftigten des Kabinenpersonals im August 2020 erneut gekündigt.
Gegen diese Kündigung hatte sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt und die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien unwirksam. Die Massenentlassungsanzeige habe in Berlin am Sitz von Air Berlin und nicht in Düsseldorf erstattet werden müssen, da dort im Zeitpunkt der Anzeige aufgrund der Stilllegung kein Betrieb mehr bestanden habe.
Dieser Ansicht ist das Bundesarbeitsgericht nicht gefolgt. Es hat die streitbefangene Kündigung wegen der Stilllegung des Flugbetriebs für sozial gerechtfertigt sowie die Agentur für Arbeit Düsseldorf weiterhin für die Erstattung der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 3 KSchG zuständig gehalten. Die Anforderungen an das nach § 17 Abs. 2 KSchG mit der Personalvertretung durchzuführende Konsultationsverfahren seien erfüllt worden, insbesondere sei die Personalvertretung ausreichend über den Zeitraum der beabsichtigten Entlassungen informiert worden. Eine Unwirksamkeit der Kündigung ergebe sich auch nicht aus sonstigen Gründen.
Folgen für die Praxis
Das Bundesarbeitsgericht verfeinert mit seiner aktuellen Entscheidung die ausführliche Rechtsprechung zur Erstattung der Massenentlassungsanzeige. Klar war schon zuvor, dass für die Erstattung der Massenentlassungsanzeige die für den Betriebssitz örtlich zuständige Agentur für Arbeit zuständig ist (BAG, Urteil vom 13.2.2020 – 6 AZR 146/19). Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr klargestellt, dass dies auch gilt, wenn der Betrieb bereits seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat.
Dies schafft für den Rechtsanwender weitere Klarheit, wobei es bei der hohen Fehleranfälligkeit des Verfahrens bei der Erstattung des Massenentlassungsanzeige bleiben dürfte. Da die Fehlerfolgen – die Unwirksamkeit aller ausgesprochenen Kündigungen – besonders gravierend sind, ist Arbeitgebern hier weiterhin zu empfehlen, sich professionell beraten zu lassen.