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Das BAG hat heute am 27. April 2021 eine mit Spannung erwartet Entscheidung zum Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs getroffen (BAG, Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 342/20). Leider hilft sie in der Praxis kaum weiter.
Um diese Entscheidung besser einordnen zu können, stellen wir zunächst den rechtlichen Kontext kurz dar:
Kernanliegen der DS-GVO: Transparenz der Verarbeitung
Eines der Kernanliegen der DS-GVO ist die Transparenz der Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Konkretisierung dieses Ziels findet sich im Kapitel III der DS-GVO in den Art. 12 ff. DS-GVO. Die Rechte der betroffenen Person umfassen u.a.:
Informationspflichten (Art. 13 / 14 DS-GVO)
Auskunftsrecht (Art. 15 DS-GVO)
Recht auf Berichtigung (Art. 16 DS-GVO)
Recht auf Löschung (Art. 17 DS-GVO)
Recht auf Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18 DS-GVO)
Bußgeld
Verstöße gegen diese Pflichten sind bußgeldbewehrt. Die Bedeutung für den Gesetzgeber zeigt sich auch daran, dass für Verstöße gegen die Transparenzpflichten der hohe Bußgeldrahmen des Art. 83 Abs. 5 DS-GVO Anwendung findet. Es drohen also Bußgelder von bis zu EUR 20.000.000,00 oder bis zu 4% des weltweit erzielten Jahresumsatzes.
Recht auf Auskunft (Art. 15 DS-GVO)
Besondere Probleme in der Praxis bringt das Auskunftsrecht mit sich. Jede betroffene Person hat nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO das Recht, von dem Verantwortlichen zu erfahren, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden und falls dies der Fall ist ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten sowie auf in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO aufgeführte Informationen.
Die Anspruchsvoraussetzungen sind denkbar einfach:
Der Anspruch ist zweistufig aufgebaut.
Auf der ersten Stufe ist lediglich mitzuteilen, ob personenbezogene Daten der betroffenen Person verarbeitet werden. Die Antwort hierauf ist relativ leicht zu ermitteln und lautet ja oder nein. Macht ein Arbeitnehmer den Anspruch geltend, so lautet die Antwort stets ja.
Schwieriger ist die Auskunft auf der zweiten Stufe. Relativ leicht sind die in Art. 15 DS-GVO aufgeführten Informationen zu erteilen, entsprechen sie doch den Informationen, die der Verantwortliche nach Art. 13 DS-GVO bereits vor der Erhebung der Daten zu erteilen hatte. Schwieriger ist es hingegen, Auskunft über die personenbezogenen Daten selbst zu erteilen. Die Schwierigkeit hängt damit zusammen, dass sich personenbezogene Daten nicht nur in der Personalakte befinden, sondern bei Arbeitnehmern, die teils oder ganz an Computern arbeiten, in der ganzen IT verteilt finden.
Anspruch auf Kopie (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO)
Hinzu kommt noch, dass die betroffene Person nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO einen Anspruch auf „eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“ hat.
Der Umfang des Auskunftsanspruchs als solchem aber auch der Umfang des Anspruchs auf Kopie sind umstritten. Muss der Arbeitgeber nur eine Kopie der Auskunft als solche zur Verfügung stellen oder eine Kopie sämtlicher Dokumente, in denen ein personenbezogenes Datum der betroffenen Person verarbeitet wird?
Beispiel:
Der Arbeitgeber teilt einem Arbeitnehmer im Rahmen der Erfüllung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DS-GVO mit, der Name des Arbeitnehmers sei wie folgt gespeichert. Reicht es dann aus, eine Kopie dieser Auskunft zur Verfügung zu stellen oder muss der Arbeitgeber jedes Dokument, in dem sich der Name der betroffenen Person findet, also zum Beispiel jede E-Mail, die der Arbeitnehmer verfasst hat, zur Verfügung stellen?
Formale Aspekte
Die Erteilung einer Auskunft nach Art. 15 DS-GVO hat nach Art. 12 Abs. 3 DS-GVO unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zu erfolgen. Die Frist kann um bis zu zwei Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. Die Fristverlängerung geschieht durch Unterrichtung der betroffenen Person durch den Verantwortlichen zusammen mit den Gründen für die Verzögerung.
Eine besondere Form ist für die Auskunftserteilung nicht vorgeschrieben. Wird der Antrag elektronisch gestellt, soll auch die Antwort auf elektronischem Weg erfolgen (Art. 12 Abs. 3 DS-GVO). Erwägungsgrund 63 sieht vor, dass nach Möglichkeit ein Fernzugriff auf die Daten zur Verfügung gestellt werden soll. Typischerweise erfolgt die Auskunft nach unserer Erfahrung aber immer noch schriftlich.
Davon unberührt bleibt das Recht aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO, eine Kopie zu verlangen.
Die Auskunft hat unentgeltlich zu erfolgen (Art. 12 Abs. 5 DS-GVO). Sie kann kaum verweigert werden. Lediglich bei „offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen“ kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt verlangen oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden. Eine weitere Grenze findet der Auskunftsanspruch in den Rechten und Freiheiten anderer Personen (Art. 15 Abs. 4 DS-GVO).
Auskunftsrechte im Arbeitsverhältnis
Die DS-GVO differenziert bei dem Auskunftsrecht nicht nach dem Anlass. Dem Grunde nach besteht es also auch im Arbeitsverhältnis.
In der Praxis ist eine inflationäre Nutzung dieses Auskunftsrechts zu verzeichnen. Ganz häufig erfolgt die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach Ausspruch einer Kündigung. Ganz häufig gewinnt man auf Arbeitgeberseite den Eindruck, dass die Motivation für die Geltendmachung dieses Anspruchs weniger im datenschutzrechtlichen Kontext zu suchen ist. Teilweise geht es Arbeitnehmern nur darum, durch diesen für Arbeitgeber sehr lästigen Anspruch ihre Verhandlungsposition zu verbessern. Die Hoffnung geht dahin, dass Arbeitgeber bereit sein könnten, eine höhere Abfindung zu zahlen, sofern auf den Anspruch verzichtet wird.
Gerne drohen Arbeitnehmer auch damit, einen Schadensersatzanspruch im Falle der Nichterfüllung, der fehlerhaften oder nicht fristgerechten Erfüllung geltend zu machen. Art. 82 DS-GVO gewährt der betroffenen Person dem Grunde nach im Falle der Verletzung einer Vorschrift aus der DS-GVO Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden. Gerade der Schmerzensgeldanspruch, der sozialversicherungs- und steuerfrei ist, wird immer häufiger ins Feld geführt. Ob allerdings jede Verletzung einer Norm aus der DS-GVO ohne Hinzutreten weiterer Umstände einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden, also einen Schmerzensgeldanspruch auslöst, ist in der Rechtsprechung umstritten.
Die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Seite scheint auch eine große Rolle zu spielen. Je mehr des Gesamtpakets bei einer Trennung als Schadensersatz gezahlt wird, desto günstiger ist es für den Arbeitnehmer.
Arbeitgeber sollten sich bei Eingang eines Auskunftsbegehrens dessen bewusst sein, dass die Motive für die Geltendmachung dieses Anspruchs häufig ganz andere sind als man auf den ersten Blick vermutet.
Die Entscheidung des BAG
Das LAG Niedersachen (Urteil vom 09.06.2020 – 9 Sa 608/19) hatte über einen Antrag auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO zu entscheiden. Der Kläger hatte nicht nur Auskunft verlangt, sondern auch eine Kopie seiner Daten. Das LAG hat in seinem Urteil den Anspruch restriktiv ausgelegt. Ein Anspruch auf Erteilung einer Kopie bestehe nur hinsichtlich der personenbezogenen Daten, auf die sich das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bezieht. Ein Anspruch auf eine Kopie sämtlicher Inhalte bestehe nicht.
Das BAG hat den Anspruch verneint, allerdings deswegen, weil der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Nach Ansicht des BAG muss ein Kläger, der Kopien von E-Mails verlangt, diese so genau bezeichnen, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht.
In der Praxis hilft diese Entscheidung nur bedingt weiter, bleibt doch offen, welchen Umfang der Anspruch auf eine Kopie der Daten nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO hat?
Dr. Michael Witteler ist spezialisiert auf datenschutzrechtliche Angelegenheiten an der Schnittstelle von Arbeitsrecht und Datenschutz. Er ist Head der PWWL Practice Group Data & Privacy.