Gerade in den letzten Monaten machten Verschwörungstheoretiker immer wieder Schlagzeilen. Lange konnten sie als vereinzelte Spinner abgetan werden, doch die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es sich wohl doch um ein Phänomen mit beachtlicher Reichweite und sozialer Sprengkraft handelt. Wenig überraschend, dass zweifelhafte Bewegungen und ihre Anhänger, die Unwahrheiten und absurde Theorien verbreiten, auch in der arbeitsrechtlichen Beratung mittlerweile eine größere Rolle spielen. Unternehmen fürchten Rufschädigung und Unruhe im Betrieb, wenn eigene Mitarbeiter mit gewissen Bewegungen – Reichsbürger, Neonazis, „Querdenker“ oder „QAnon“, um nur einige von ihnen zu nennen – in Verbindung gebracht werden. Daher stellt sich häufig auch die Frage nach dem arbeitsrechtlichen Umgang mit Sympathisanten und Anhängern solcher Bewegungen. Wann kann abgemahnt oder gekündigt werden?
Verbot politischer Plaketten
Ursprünglich waren es politische Plaketten, die die Arbeitsgerichte auf den Plan riefen. Vor rund 30 Jahren untersagte das BAG noch das Tragen von „Anti-Atomkraft-Plaketten“ (Urteil vom 02.03.1982 – 1 AZR 694/79) und „Anti-Strauß-Plaketten“ (Urteil v. 09.12.1982 – 2 AZR 620/80) in der Schule bzw. im Betrieb. Sogar eine „Friedenstaubeplakette“ durfte damals noch in einer militärischen Dienststelle verboten werden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.08.1986 – 5 Sa 240/86). Alles Entscheidungen, die bloß den betrieblichen Bereich betrafen und angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung sicherlich überholt sind.
Arbeitnehmergrundrechte enden nicht am Arbeitsplatz
Im betrieblichen Bereich unterliegen Arbeitnehmer dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Doch auch hier gelten die Grundrechte des Arbeitnehmers, sodass der Arbeitgeber nicht Beliebiges anordnen kann. Der Arbeitgeber hat insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Sofern der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse am Unterlassen eines bestimmten Verhaltens nachweisen kann, überwiegen im Zweifel die Freiheitsrechte des Arbeitnehmers, sodass der Arbeitgeber auch die politische Betätigung am Arbeitsplatz in einem gewissen Rahmen zu dulden hat.
Außerdienstliches Verhalten
In den meisten Fällen tragen Arbeitnehmer ihre politischen Einstellungen im privaten Bereich zur Schau. In ihrer Freizeitgestaltung sind Arbeitnehmer sehr frei. Sie sind dem Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein aus Sicht des Arbeitgebers „ordentliches Leben“ zu führen. Dies gilt vor allem auch für politische Aktivitäten. Allerdings wird der Arbeitgeber selbst in außerdienstliches Verhalten eingreifen können, wenn seine rechtlich relevanten Interessen durch ein privates Verhalten gefährdet sind. Dies ist unter anderem der Fall, wenn der Arbeitnehmer den Ruf des Arbeitgebers schädigt, eine Loyalitätspflicht verletzt oder sein privates Verhalten sonst eine unmittelbare Auswirkung auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hat. Damit der Arbeitgeber auf außerdienstliches politisches Verhalten reagieren kann, muss es in jedem Fall einen dienstlichen Bezug aufweisen. Dieser kann z.B. dadurch entstehen, dass der Arbeitnehmer seine politischen Ansichten über ein Social-Media-Profil verbreitet, das auch den Arbeitgeber erkennbar macht. Ein dienstlicher Bezug kann aber auch dadurch hergestellt werden, dass der Arbeitnehmer in Dienstkleidung auftritt oder sich gegenüber Kollegen äußert.
Rechtsradikale und Ausländerfeinde
In der Vergangenheit waren es vor allem Rechtsradikale und Ausländerfeinde, gegen die Arbeitgeber arbeitsrechtlich vorgehen wollten. Gegenüber solchen Arbeitnehmern verfolgen auch die Arbeitsgerichte größtenteils eine harte Linie. Trägt ein Arbeitnehmer seine ausländerfeindlichen Tendenzen im Betrieb offen zur Schau, indem er andere Mitarbeiter aufgrund ihrer Herkunft im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit diskriminiert und herabwürdigt, ist eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Schwieriger sind regelmäßig solche Fälle, in denen Arbeitnehmer außerdienstlich rechtsradikale Tendenzen offenbaren. Hier bedarf es einer genauen Abwägung, inwiefern die privaten Äußerungen in das Arbeitsverhältnis durchschlagen. Spielt der Leiter eines integrativen Fußball-Fanprojekts als Hobby-DJ auch Interpreten aus der rechten Szene, ist eine Kündigung wirksam (LAG Hamm, Urteil vom 04.11.2008 – 14 Sa 157/08). Auch Arbeitnehmer, die rechtsradikale, rassistische und ausländerfeindliche Äußerungen auf einer privaten Facebook-Seite veröffentlichen, können wirksam gekündigt werden, sofern der Arbeitgeber aus dem Profil hervorgeht.
Weitere Besonderheiten gelten regelmäßig im öffentlichen Dienst: Hier gilt eine gesteigerte Loyalitäts- bzw. Treuepflicht, die zur Treue gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verpflichtet. Polizisten, die mit der Reichsbürger-Szene sympathisieren oder dieser augenscheinlich angehören, können sofort aus dem Dienst entfernt werden. Auch die Kündigung des sogenannten „Volkslehrers“, ein in Berlin angestellter Lehrer, der Verschwörungstheorien über seinen Youtube-Kanal verbreitete, wurde in ihrer Wirksamkeit bestätigt (ArbG Berlin, Urteil vom 16.01.2019 – 60 Ca 7170/18). Und wenn ein im öffentlichen Dienst Beschäftigter zur Teilnahme an einer Demonstration aufruft, die als Aufforderung zu einem gewaltsamen Umsturz verstanden werden kann, fehlt ihm das für einen Staatsbediensteten erforderliche Maß an Verfassungstreue und sein Anstellungsverhältnis kann gekündigt werden (BAG, Urteil vom 06.09.2012 – 2 AZR 372/11). Die bloße NPD-Mitgliedschaft genügt als Kündigungsgrund hingegen selbst im öffentlichen Dienst nicht (BAG, Urteil vom 12.05.2011 – 2 AZR 479/09).
Zum arbeitsrechtlichen Umgang mit Verschwörungstheoretikern
Zum Umgang mit Verschwörungstheoretikern existiert bisher keine relevante Rechtsprechung. Insgesamt dürfte es für Arbeitgeber aber regelmäßig schwierig werden, gegen Verschwörungstheoretiker mit arbeitsrechtlichen Sanktionen vorzugehen. Das liegt daran, dass die Bewegungen häufig eine Vielzahl von verschiedenen Theorien verbreiten. Diese mögen mit der Realität wenig zu tun haben, erreichen aber selten eine strafrechtliche Relevanz oder verletzen den Rechtskreis Dritter. Folglich dürfte die reine Mitgliedschaft, das Sympathisieren mit gewissen Ansichten oder das Verbreiten von Symbolen und Erkennungszeichen regelmäßig nicht die Schwelle erreichen, ab der der Arbeitgeber einschreiten kann. Anderes kann in Ausnahmefällen gelten, z.B. wenn der Mitarbeiter aktiv bestimmte Inhalte und Botschaften verbreitet. Auch für Beschäftigte, die mit Kindern, mit Kunden oder in anderen sensiblen Bereichen arbeiten, können andere Maßstäbe gelten. Beispielsweise kann die Kündigung eines Vertriebsmitarbeiters rechtmäßig sein, wenn dieser in einem Kundengespräch die nationalsozialistischen Verbrechen gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Abrede stellt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.01.2020 – 9 Sa 434/19).
Im Umgang mit Verschwörungstheoretikern ist aus arbeitsrechtlicher Sicht insgesamt aber eher Zurückhaltung geboten. Eine Abmahnung oder Kündigung wird in den meisten Fällen vor Gericht nicht halten. Auch wenn diese über soziale Medien derzeit leider recht „laut“ erscheinen, da sie eine große Reichweite erzielen können, sind sie aus arbeitsrechtlicher Sicht in der Regel dem reinen Privatbereich zuzuordnen. Mögen Arbeitgeber beide Hände über dem Kopf zusammenschlagen vor lauter Unsinn, den manche Arbeitnehmer verbreiten, ist dies arbeitsrechtlich regelmäßig nicht relevant. Arbeitgeber haben es normalerweise hinzunehmen, dass ihre Arbeitnehmer andere Ansichten vertreten, seien diese auch noch so wissenschaftlich widerlegbarer Blödsinn. Dies muss sowohl eine freiheitliche Demokratie, wie auch jeder einzelne Arbeitgeber aushalten.
Ist allerdings ein kritischer Punkt überschritten, können Arbeitgeber hingegen sehr wohl zu Sanktionen greifen. Hierbei dürfte es sich, wie an den Beispielen deutlich wird, aber meist um Ausnahmen handeln. Jedenfalls einem Gespräch mit dem Mitarbeiter steht nichts im Wege und gegebenenfalls auch nicht der Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. Darüber hinaus kann es sich lohnen, den Mitarbeiter im Auge zu behalten, um bisher nicht bekanntes Fehlverhalten (z.B. in sozialen Netzwerken) aufzudecken. Hierbei sind selbstverständliche die einschlägigen Datenschutzvorschriften zu beachten.
Arbeitsrechtliche Sanktionen
Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt sich in erster Linie die Frage nach Abmahnung- und Kündigungsmöglichkeiten. Bei Rufschädigungen können daneben aber auch Schadensersatzansprüche in Betracht kommen. In den meisten Fällen dürfte das Verhalten von Arbeitnehmern allerdings hinter dem zurückbleiben, was arbeitsrechtlich sanktioniert werden kann. Der Arbeitgeber hat nämlich die weitreichenden grundrechtlichen Freiheiten seiner Arbeitnehmer zu berücksichtigen.
Die bisher entschiedenen politischen Fälle sind stets von einem großen Maß an Einzelfallabhängigkeit geprägt, sodass sich pauschale Aussagen verbieten. Im betrieblichen Bereich reicht die Handhabe des Arbeitgebers deutlich weiter als im privaten Bereich. Allerdings hat der Arbeitgeber selbst im betrieblichen Bereich ein gewisses Maß an politischer Aktivität zu tolerieren. Nichtsdestotrotz gibt es Grenzen, die Arbeitnehmer weder im betrieblichen noch im privaten Bereich überschreiten dürfen. Wo diese Grenzen verlaufen, lässt sich allerdings nur für den Einzelfall beurteilen.
Ein pauschales Verbot politischer Betätigung im Betrieb schränkt die Grundrechte der Arbeitnehmer in unzulässiger Weise ein. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Meinungen und Äußerungen (auch rechts- und linksradikale) soweit als möglich zu tolerieren. Daher sind Plakate, Plaketten und Aufkleber auch im Betrieb prinzipiell zulässig. Demnach wird der Arbeitgeber Meinungsäußerungen nicht per Weisung, Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung verbieten können. Dies wird aber auch nicht notwendig sein, da die Meinungsfreiheit im Einzelfall schon aufgrund arbeitsvertraglicher Haupt- und Nebenpflichten eingeschränkt ist. Eine Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn der Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch seine politischen Tätigkeiten beeinträchtigt. Auch in politisch besonders sensiblen Bereichen kann der Arbeitgeber politische Betätigung gegebenenfalls untersagen und dies auch im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einer Hausordnung per Direktionsrecht festhalten. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Kundgabe politischer Ansichten die Diskriminierung von Kollegen beinhaltet oder es zu Unruhe und Streitigkeiten innerhalb der Belegschaft kommt. Jedoch sollte stets kritisch geprüft werden, inwieweit eine solche Regelung tatsächlich notwendig ist und ob die Gründe einen solch schwerwiegenden Eingriff in die Arbeitnehmergrundrechte rechtfertigen.
Klar ist, dass Arbeitgebern bei rechtsradikalen oder ausländerfeindlichen Äußerungen eher Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, als im Bereich der reinen Verschwörungstheorien. Dennoch sollten Arbeitgeber sorgfältig prüfen, ob Abmahnung oder Kündigung Aussicht auf Erfolg haben könnten. In jedem Fall macht es Sinn, als Arbeitgeber ein klares Zeichen für Toleranz und Vielfalt zu setzen. Daher sollten stets alle denkbaren Optionen in Betracht gezogen werden.
Fazit
Der Umgang mit politisch aktiven Arbeitnehmern bedarf eines hohen Maßes an Fingerspitzengefühl; dies gilt auch für Verschwörungstheoretiker. Grundsätzlich sind politische Überzeugungen von Arbeitnehmern hinzunehmen, auch wenn diese von den eigenen Ansichten abweichen. Gleiches gilt auch für Verschwörungstheorien. Mag das eigene gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein bei der Verbreitung von abwegigen Verschwörungstheorien durch Arbeitnehmer oft zu sofortigem Handeln drängen, Arbeitgebern ist dennoch bei der arbeitsrechtlichen Sanktionierung politischer Aktivitäten zunächst zu Zurückhaltung zu raten. Schweigen muss ein Arbeitgeber hierzu natürlich nicht; aber der Ausspruch von Abmahnung und Kündigung sollten vorab gut überlegt sein.