Das Kurzarbeitergeld fungierte als bedeutsamer Auffangmechanismus für die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren.
Aktuell soll es den Ergebnissen des Koalitionsausschusses vom 29.01.2020 zufolge Veränderungen im Bereich des Kurzarbeitergeldes geben.
Dies geschieht nicht aus Anlass einer aktuellen Rezession, sondern mit dem Verweis auf eine „Teilstörung des Arbeitsmarktes“ in Industriebranchen, die einem starken Strukturwandel unterliegen und die mit den Folgeproblemen zu kämpfen haben. Als Beispiel wird der Auftragsrückgang in der Automobilbranche infolge der Digitalisierung mit nachfolgendem Personalabbau angeführt.
Vorgesehen ist eine Ermächtigung der Bundesregierung – befristet auf drei Jahre – zur Anpassung der gesetzlichen Regelungen des Kurzarbeitergeldes. Dabei soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld auf höchstens 24 Monate zu verlängern, wenn während des verlängerten Bezugszeitraums eine berufliche, zweckmäßige Weiterbildung des Kurzarbeitergeldempfängers erfolgt. Die Weiterbildungsmaßnahmen selbst können gefördert und Sozialversicherungsbeiträge bis zur Hälfte übernommen werden.
Aktuell bestimmt § 104 Abs. 1 S. 1 SGB III als gesetzliche Höchstbezugsdauer für die Grundform des Kurzarbeitergeldes nach den §§ 95 ff. SGB III zwölf Monate. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird in § 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ermächtigt, durch nicht zustimmungsbedürftige Rechtsverordnung die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld über die gesetzliche Bezugsdauer hinaus bis zur Dauer von 24 Monaten zu verlängern. Voraussetzung dafür sind außergewöhnliche Verhältnisse auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Über dieses “Einfallstor der außergewöhnlichen Verhältnisse des Gesamtarbeitsmarkts” soll abgesichert werden, dass die Kurzarbeitergeldregelung in Krisenzeiten zweckgemäß greift. Der eingearbeitete Mitarbeiter soll vor einem Arbeitsplatzverlust – speziell durch eine betriebsbedingte Kündigung – bewahrt bleiben und dem Arbeitgeber nach Überwindung der außergewöhnlichen Arbeitsmarktsituation weiterhin zur Verfügung stehen. Die Beurteilung der Verhältnisse als “außergewöhnlich” erfolgt durch einen Vergleich der aktuellen Situation mit der gewöhnlichen Situation des Arbeitsmarkts, gemessen an einer langfristigen Betrachtung der Arbeitsmarktverhältnisse. Bei einer signifikanten Diskrepanz liegen außergewöhnliche Umstände vor.
Die von der Koalition geplante Neuerung soll nun ermöglichen, bereits auf branchen- und regionsspezifische Veränderungen des Arbeitsmarktes zu reagieren und nicht erst auf eine Negativsituation des gesamten Arbeitsmarkts. Im besten Fall kann die Neuerung die Funktion des (verlängerten) Kurzarbeitergeldes als Auffangmaßnahme schon vor einer Rezessionsphase stärken. Die Überbrückungsmaßnahme Kurzarbeitergeld wird mit einer Chance zur Zusatzqualifikation ohne Zeitverlust für Arbeitnehmer und Arbeitgeber kombiniert – damit verfolgt die Koalition kein neues Konzept, aber eines, das auf Arbeitgeber- und auf Gewerkschaftsseite grundsätzlich Zuspruch findet.