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Inside Workplace Law

Geheim ist nur, was den Namen auch verdient – über Grenzen der Geheimhaltung von mitbestimmten unternehmerischen Planungen

Die Entscheidung des LAG Hessen vom 20. März 2017 zeigt, wie wichtig eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ist. Über welche Möglichkeiten verfügen Arbeitgeber in der Kommunikation mit dem Betriebsrat, um (nur) einen gemeinsam abgestimmten Informationsfluss nach außen zu gewährleisten?

Personen in Gespraechssituation mit Smartphones

Gerade umfangreichere Reorganisationen sind häufig mit schmerzhaften Einschnitten für die Belegschaft verbunden. Arbeitgeber haben daher das legitime Interesse, dass sich keine halbgaren Informationen via Flurfunk verbreiten, Leistungsträger verschrecken und die Motivationskurve der Mitarbeiter in den freien Fall stürzt. Als probates Gegenmittel wird häufig eine mehr oder minder dezente Erinnerung der Betriebsratsmitglieder an gesetzliche Verschwiegenheitspflichten gesehen. Manche Arbeitgeber gehen sogar noch einen Schritt weiter und legen den Betriebsratsmitgliedern weitergehende Vertraulichkeitsvereinbarungen vor. Doch im Regelfall sind diese Maßnahmen – wie ein jüngeres Urteil des Hessischen LAG erneut verdeutlicht – nicht wirkungsvoll, um den Informationsfluss einzudämmen. Umso wichtiger sollten Arbeitgeber eine tatsächlich vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihrem Betriebsrat nehmen. Auf diese Weise besteht die Chance, gemeinsam zu entscheiden, welche Informationen die Verhandlungsräume verlassen und welche nicht.

Dass selbst dies manchmal nicht genügt, um Einzelgängen einzelner Mitglieder des Betriebsrats zu begegnen, zeigt der Beschluss des Hessischen LAG vom 20. März 2017 (Az.: 16 TaBV 12/17). Dort hatte das LAG in einem Beschlussverfahren über den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds (Antragsgegner) aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner Pflichten zu entscheiden. Kurioserweise beantragten sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat den Ausschluss und gingen so gemeinsam gegen den vermeintlichen „Geheimnisverräter“ vor, der das einzige gewerkschaftliche organisierte Mitglied des Betriebsrats war.

Anlass des Geheimhaltungsbedürfnisses war die unternehmerische Planung, die Produktion einer Kunstoff-Linie einzustellen und mehrere Abteilungen zu schließen. Hierüber hatte die Geschäftsleitung den Betriebsratsvorsitzenden und einen seiner Betriebsratskollegen in Kenntnis gesetzt. Als letzterer den in einer Außenstelle tätigen Antragsgegner hierüber informieren und zu einer Sitzung laden wollte, wies er ihn ausdrücklich auf den Wunsch des Arbeitgebers nach absoluter Vertraulichkeit hin. Der Antragsgegner jedoch wendete sich kurz darauf an seine Gewerkschaft, holte dort Rechtsrat ein und informierte so betriebsexterne Dritte über die Planungen.

In erster Instanz gab das Arbeitsgericht Offenbach dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat Recht und befand den Ausschluss für gerechtfertigt. Zwar könne es dahinstehen, ob der Antragsgegner seine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht aus § 79 Abs. 1 BetrVG verletzt habe. Mit seinem Verhalten habe der Antragsgegner jedenfalls aber das Gebot der Vertraulichkeit innerhalb des Betriebsrats in grober Weise und vorsätzlich verletzt.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners änderte das Hessische LAG die Entscheidung der ersten Instanz ab und wies den Ausschlussantrag zurück. Weder habe der Antragsgegner gegen § 79 Abs. 1 BetrVG verstoßen noch sei sein Verhalten in sonstiger Weise eine grobe Verletzung seiner gesetzlichen Betriebsratspflichten. Eine allgemeine Geheimhaltungspflicht könne aus § 79 BetrVG nicht hergeleitet werden. Erfasst seien hiervon nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Ein dem Betriebsrat mitgeteilter interessenausgleichspflichtiger Personalabbau als solcher stelle kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis in diesem Sinne dar. Spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber das gesetzlich vorgesehene Mitwirkungsverfahren eingeleitet habe, habe er kein sachlich begründetes, objektiv berechtigtes Geheimhaltungsinteresse daran, dass ein Betriebsrat erst Informationen weitergebe, wenn Entscheidungen ausverhandelt seien. Die sachgerechte Wahrnehmung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte erfordere vielmehr, dass ein Informationsaustausch zwischen Belegschaft und Betriebsrat stattfinde. Dieser müsse daher ab Beginn der Verhandlungen auch über deren Gegenstand berichten dürfen.

Der Antragsgegner habe außerdem keineswegs eine Einladung der Gewerkschaft durch das gesetzliche Quorum von 25% der Betriebsratsmitglieder abwarten müssen, bevor er sich an die Gewerkschaft wandte. Vielmehr liege die Entscheidung, auf welche Weise ein Betriebsratsmitglied sich auf Verhandlungen vorbereite, in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dieses Ermessen sei hier nicht verletzt. Insbesondere habe der Antragsgegner tatsächlich Beratung von der Gewerkschaft eingeholt, wie man derartigen Personalabbaumaßnahmen wirkungsvoll entgegensteuern könne. Er habe sein Amt daher gerade im Gegenteil verantwortungsvoll ausüben wollen.

Mit seiner Einschätzung zum Umgang mit personalabbaubezogenen Informationen aus Interessenausgleichsverhandlungen hat das Hessische LAG eine frühere Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein bestätigt (LAG Schleswig-Holstein vom 20.05.2015, Az.: 3 TaBV 35/14). Anders hingegen sah es die 9. Kammer des Hessischen LAG im Jahr 2015 für den Personalabbau einer Aktiengesellschaft. Dieses sah vor dem Hintergrund der dort vorgeschrieben Ad-hoc-Meldungen nach §§ 13, 15 WpHG jedenfalls ein vorübergehendes Geheimhaltungsinteresse über den geplanten Personalabbau (Hessisches LAG vom 12.03.2015 – 9 TaBV 188/14).

Die unterschiedlichen Entscheidungen verdeutlichen vor allem eines: Betriebsratsmitglieder gehen ein hohes Risiko (für ihr Amt) ein, wenn sie Informationen ohne vorherige Prüfung weitergeben. In den als streng vertraulich zur Verfügung gestellten Unterlagen können nämlich durchaus auch echte Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 79 Abs. 1 BetrVG enthalten sein. Enthalten die vorgelegten Unterlagen auch typischerweise personalrelevante Angaben zu aktuellen Absatzentwicklungen, zur Auftragslage oder zur Liquiditätslage ist der Betriebsrat gut beraten, die Unterlagen nicht ungefiltert weiterzureichen. Arbeitgeber sollten insofern weiterhin vorsorglich die überreichten Informationen als streng vertraulich kennzeichnen und auf eine gemeinsame Kommunikation zur Belegschaft drängen.

Das Vorlegen von sämtliche Informationen umfassenden Vertraulichkeitsvereinbarungen ist dagegen kritisch zu sehen. Unterliegt der Geheimhaltungsgegenstand der Vertraulichkeitsvereinbarung nämlich nicht ohnehin § 79 Abs. 1 BetrVG, könnte darin sogar eine Behinderung der Betriebsratsarbeit gesehen werden. Diese ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG strafbar und könnte darüber hinaus – wenn sie so verstanden wird – zu einem dauerhaften Bruch in der vertrauensvollen Zusammenarbeit führen.

Dr. Holger Thomas
Dr. Holger Thomas, MM

Dr. Holger Thomas ist spezialisiert auf Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften, Restrukturierungen, Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen, Compliance sowie Personalabbau.

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