Anders als hoffentlich in den
meisten Familien beherrscht nach gesellschaftsrechtlichem Verständnis (§§ 17
ff. AktG) die Mutter immer auch die Kinder ihrer Tochter, also ihre Enkel.
Betriebsverfassungsrechtlich gibt es hiervon Ausnahmen, die aber erfordern,
dass der Tochter von der Mutter eigene Entscheidungsspielräume gegenüber den
Enkeln zugestanden werden. Mit dieser Konstellation und der Besonderheit, dass
die Mutter ihren Sitz im Ausland hat, beschäftigt sich das BAG in seinem
Beschluss vom 23. Mai 2018.
Das BAG hatte sich konkret mit
der Frage zu befassen, ob in Deutschland ein Konzernbetriebsrat errichtet
werden kann, wenn die Konzernspitze (die sog. Konzernobergesellschaft) im
Ausland sitzt und die deutschen Aktivitäten unter einer Holding ohne eigene
Geschäftstätigkeit gebündelt sind, die über keine eigenen
Entscheidungsbefugnisse verfügt.
Das BAG entschied ganz auf der
Linie der bisherigen Rechtsprechung, dass in einer solchen Konstellation die
Voraussetzungen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrates in Deutschland
nicht vorliegen. Mitbestimmung durch eine Arbeitnehmervertretung soll immer auf
der Ebene stattfinden, auf der ein arbeitgeberseitiges Pendant existiert, dass
in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten über eigenständige
Entscheidungsbefugnisse verfügt. Nur dann macht nämlich die Errichtung eines
Konzernbetriebsrates Sinn, weil er einen Verhandlungspartner hat, der bei
Themen, bei denen dem Konzernbetriebsrat Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte
(also in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten) zukommen,
auch Entscheidungen treffen kann. Dies war vorliegend nicht der Fall, weil die
deutsche Holdinggesellschaft über entsprechende Entscheidungsbefugnisse nicht
verfügte.
Der Sache nach hätte es sich um
einen Teilkonzernbetriebsrat für Deutschland (auch als „Konzern im Konzern“
bezeichnet) gehandelt. Ein solcher Teilkonzernbetriebsrat kommt bei mindestens
dreistufigen Konzernstrukturen (also Mutter, Tochter, Enkel) immer nur dann in
Betracht, wenn die Teilkonzernspitze (in diesem Fall die deutsche Holding) in
den nach dem Betriebsverfassungsgesetz relevanten Angelegenheiten über
eigenständige und von der eigentlichen Konzernspitze (hier die ausländische
Muttergesellschaft) unabhängigen Entscheidungsbefugnisse verfügt. Sinn und
Zweck des Betriebsverfassungsgesetzes ist es, betriebsverfassungsrechtliche
Beteiligung dort anzusiedeln, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret ausgeübt
wird. Übt die Mutter ihre beherrschende Stellung nur in Teilbereichen aus und
überlässt sie der Teilkonzernspitze (also der Tochter) eigenständige
Entscheidungsbefugnisse über die Enkel, so würde bei den unternehmerischen
Entscheidungen der Tochter für sich und ihre Enkel keine Beteiligung einer
Arbeitnehmervertretung stattfinden, wenn es keinen Konzernbetriebsrat auf
dieser Ebene gäbe: Der auf Ebene der Mutter angesiedelte Konzernbetriebsrat
wäre nicht zuständig, weil die Mutter keine unternehmerische Entscheidung
trifft. Der gegebenenfalls auf Ebene der Tochtergesellschaft bestehende
Gesamtbetriebsrat wäre auf eine Regelung für die Tochter selbst beschränkt, was
zu kurz greift, wenn die unternehmerische Entscheidung den gesamten Teilkonzern
(also Tochter und Enkel) betrifft. Aus diesem Grunde macht in einer solchen
Konstellation die Errichtung eines Konzernbetriebsrates auch auf Ebene der
Tochter Sinn.
Besonders spannend ist die Frage,
ob und auf welcher Ebene im vorliegenden Fall, wo die Voraussetzungen für die
Errichtung eines Teilkonzernbetriebsrates bei der Tochter nicht vorliegen,
teilkonzernbezogene unternehmerische Entscheidungen einer Beteiligung durch
eine Arbeitnehmervertretung zugeführt werden.
Beispiel: Die ausländische
Holding entscheidet, dass in Deutschland in allen Gesellschaften eine
einheitliche Compliance-Richtlinie eingeführt werden soll. Es dürfte sich dabei
um einen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Vorgang
handeln.
Erfolgt die Mitbestimmung auf
Ebene der Betriebsräte, ist nicht gewährleistet, dass die Regelung einheitlich
eingeführt werden kann. Es könnte jeweils zu einem betrieblichen Einigungsstellenverfahren
kommen, dass unterschiedliche Regelungen für jeden Betrieb durch Spruch
festlegt. Gleiches gilt bei einer Beteiligung auf Ebene des
Gesamtbetriebsrates. Richtig wäre daher an sich zur Gewährleistung der
Einheitlichkeit eine Beteiligung auf Ebene des Konzernbetriebsrates. Dieser
wäre nach § 58 Abs. 1 BetrVG für die Angelegenheit originär zuständig. Da ein
solcher aber vorliegend nicht existiert, könnte man erwägen, dass die
Mitbestimmung leer läuft, also überhaupt keine Beteiligung einer
Arbeitnehmervertretung erfolgt. Wäre dies der Fall, hätte es die Unternehmensseite
in der Hand, sich an sich bestehender betriebsverfassungsrechtlicher
Beteiligungsrechte durch Verlagerung der Konzernspitze ins Ausland zu entziehen.
Natürlich ist dies ein Reflex der beschränkten Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes
auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland und möglicherweise aufgrund
der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit hinzunehmen. Andererseits wäre es
dem Konzern möglich, eine einheitliche Regelung auch bei Beteiligung einer
Arbeitnehmervertretung sicherzustellen, wenn der deutschen Tochter
eigenständige Entscheidungsbefugnisse für den deutschen Teilkonzern eingeräumt
würden. Das BAG hat hierzu in einer früheren Entscheidung vom 14. Februar 2007
(7 ABR 26/06) ausgeführt:
„Kann ein Konzernbetriebsrat wegen einer im Ausland ansässigen Konzernspitze nicht errichtet werden, führt dies nicht zum Fortfall der betrieblichen Mitbestimmung, sondern nur zu ihrer Verlagerung auf eine andere Ebene in den verbundenen Unternehmen. Die Beteiligungsrechte nach dem BetrVG werden in diesem Fall von den Gesamtbetriebsräten und Betriebsräten der konzernangehörigen Unternehmen wahrgenommen. Auch die hiermit gegebenenfalls verbundene Erschwerung konzerneinheitlicher Regelungen rechtfertigt die Bildung eines Konzernbetriebsrats nicht, zumal es eine im Ausland ansässige Konzernobergesellschaft jederzeit in der Hand hat, durch Verlagerung von Leitungsmacht in das Inland oder den Abschluss von Entherrschungsverträgen die arbeitgeberseitigen Voraussetzungen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats (wieder) herbeizuführen.“
Ich halte dies für sachgerecht. Dies gilt aber nicht, wenn die Möglichkeit zur Errichtung eines Konzernbetriebsrates besteht, hiervon aber kein Gebrauch gemacht worden ist. In diesem Fall darf es bei einer konzernübergreifenden Angelegenheit kein Beteiligungsrecht einer Arbeitnehmervertretung geben. Das ist auch sachgerecht, weil die Arbeitnehmervertretungen von der Möglichkeit, einen Konzernbetriebsrat zu errichten, keinen Gebrauch gemacht haben. Gibt es hier dann Angelegenheiten, die im originären Zuständigkeitsbereich des Konzernbetriebsrates wären, so kann der Arbeitgeber nicht auf die nachgeordneten Ebenen verwiesen werden. Damit würde nämlich sein Bedürfnis nach einer konzerneinheitlichen Regelung konterkariert, weil die nachgeordneten Arbeitnehmervertretungen keinen Konzernbetriebsrat gebildet haben.