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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

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“Litigation Hacks” – Die Kunst des guten Vergleichs im Kündigungsschutzprozess

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Arbeitsgerichtliche Streitigkeiten enden viel öfter noch als Streitigkeiten in anderen Rechtsgebieten mit einem Vergleich. Oftmals spricht schlicht der Zeitfaktor für einen Vergleich. So haben es die Parteien mit einem Vergleich selbst in der Hand, das Verfahren unabhängig von einer gerichtlichen Terminsetzung und damit in den meisten Fällen viel schneller zum Abschluss zu bringen. In Kündigungsschutzprozessen geht es auf Arbeitnehmerseite häufig um ihre wirtschaftliche Grundlage. Sie haben daher ein hohes Interesse an einer schnellen Klärung der Wirksamkeit ihrer Kündigung. Arbeitgeber hingegen wollen das Risiko von Annahmeverzugslohnansprüchen gegen sie geringhalten. Da unter Einbeziehung der Berufungsinstanz ein Kündigungsschutzverfahren mitunter bis zu 1,5 Jahren dauern kann, liegt der Vorteil eines Vergleiches hier auf der Hand.

Daneben besteht ein prozessualer Grund für die Vielzahl an arbeitsgerichtlichen Vergleichen: So ist bereits der Vergleich als primäres Ziel im Arbeitsgerichtsprozess vorgesehen. § 54 Abs. 1 S. 1 ArbGG regelt, dass die mündliche Verhandlung mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien in Form einer Güteverhandlung beginnt. Aus § 57 Abs. 2 ArbGG folgt, dass die gütliche Einigung des Rechtsstreits während des ganzen Verfahrens angestrebt werden soll.

I.            Prozessvergleich im Termin oder im schriftlichen Verfahren?

Das Verfahren kann zu jedem Zeitpunkt im Laufe des Prozesses durch Vergleich beendet werden. Es kann sowohl ein Prozessvergleich im Termin als auch ein vorab oder im Nachgang vereinbarter schriftlicher Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden. Der Vorteil eines schriftlichen Vergleichs liegt darin, dass er aufgrund der Möglichkeit einer guten Vorbereitung weniger fehleranfällig ist. Die erhöhte Fehleranfälligkeit von Vergleichen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung resultiert häufig vornehmlich daraus, dass sie unter nicht unerheblichem zeitlichem Druck erfolgen und das Ergebnis von Spontan-Formulierungen sind, deren Konsequenzen nicht hinreichend bedacht werden. Die Fehlerquellen sowohl auf Gerichts- als auch auf Anwaltsseite sind vielfältig. Sie reichen vom fehlenden vollstreckungsfähigen Inhalt, über Ungenauigkeiten bei der Formulierung bis zum Unterbleiben des Vorlesens des Prozessvergleichs.

II.           Wichtige Klauseln

1.            Grundlage der Abrechnung

Vielfach findet sich im Vergleich die Formulierung „Das Arbeitsverhältnis wird ordnungsgemäß abgerechnet“. Das setzt jedoch voraus, dass die Parteien sich darüber bewusst sind, auf welcher Grundlage das Arbeitsverhältnis abgerechnet werden soll. So unterliegt die Gehaltshöhe im Laufe des Arbeitsverhältnisses typischerweise Veränderungen. Weiterhin setzt sich die Vergütung oftmals aus den unterschiedlichsten Bausteinen zusammen, die variable Vergütungsbestandteile sowie Sachleistungen beinhalten können. Um Streit über die Höhe der bis zum Beendigungsdatum zu zahlenden Vergütung zu vermeiden, ist zu empfehlen, in einen Vergleich ausdrücklich mitaufzunehmen, in welcher Höhe das monatliche Entgelt bis zum Beendigungsdatum gezahlt wird. Im Übrigen ist die vorgenannte Formulierung mangels Bestimmtheit schon nicht vollstreckungsfähig und bietet damit in Streitfällen gerade keine Lösung.

2.            Anspruchsübergang auf die Agentur für Arbeit

Regelt der Vergleich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit, so hat der Arbeitnehmer typischerweise Arbeitslosengeld beantragt. Ohne eine Regelung dahingehend, dass die Auszahlung ausstehender Gehälter unter Abzug von Anspruchsübergangen auf die Agentur für Arbeit erfolgt, besteht für den Arbeitgeber das Risiko, dass er „zweimal zahlt“. Er riskiert, dass er aufgrund des Übergangs der Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes auf die Agentur für Arbeit nach deren Erfüllung diesbezüglich gegen den Arbeitnehmer vorgehen muss. Dies ist regelmäßig mit nicht unerheblichem Aufwand und Kosten verbunden. Zu empfehlen ist daher eine Regelung, wonach die Auszahlung ausstehender Gehälter unter Abzug etwaiger übergegangener Ansprüche auf die Agentur für Arbeit und nach der Vorlage der Mitteilung der Agentur für Arbeit über die auf sie übergegangenen Ansprüche durch den Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber erfolgt.

3.            Fälligkeit von Abfindungen

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 15.7.2004 – 2 AZR 630/03) liegen bei einem Vergleich, der vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses geschlossen wird und nach dem eine Abfindung nach § 3 Nr. 9 EstG und entsprechend §§ 9, 10 KSchG gezahlt werden soll, in aller Regel Umstände im Sinne von § 271 Abs. 1 BGB vor, aus denen sich als Fälligkeitszeitpunkt derjenige der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergibt. Liegt das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses hingegen aufgrund der Regelung im Vergleich in der Vergangenheit und fehlt es an einer Fälligkeitsregelung, so ist die Abfindung sofort fällig. Alleine schon, um einer möglichen Vollstreckung vorzubeugen, ist der Arbeitgeber gut beraten, die Auszahlung der Abfindung in diesem Fall unverzüglich nach Rechtskraft des Vergleiches vorzunehmen. Dies stellt nicht selten die Lohnabrechnungsabteilung vor Herausforderungen. Diese muss zügig eine vom regulären Gehaltslauf abweichende Zahlung veranlassen, die auch mit zusätzlichen Kosten verbunden sein kann. Vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen, bei Beendigungsterminen in der Vergangenheit, als Fälligkeitsdatum für die Auszahlung der Abfindung den Gehaltslauf desjenigen Monats vorzusehen, der auf den Monat folgt, in dem der Vergleich zugestellt wird.

Vor allem die Auszahlung von besonders hohen Abfindungen stellt Unternehmen gerade in finanziell angespannten Situationen nicht selten vor Probleme. Das Splitting der Abfindung durch unterschiedliche Fälligkeitsdaten kann hier ein probates Mittel sein, dem entgegenzuwirken.

4.            Vorzeitige Beendigung (Sprinterklausel)

Sog. Sprinterklauseln, wonach der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, das Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung vorzeitig zu beenden, können helfen, dem Arbeitgeber Kosten zu sparen. So zahlt der Arbeitgeber im Falle einer vorzeitigen Beendigung die bis zum ursprünglich vorgesehenen Beendigungsdatum ausstehenden Gehälter als (zusätzliche) Abfindung ohne Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Eine vorzeitige Beendigung hat somit wegen der fehlenden Sozialbeiträge für den Arbeitgeber einen Kostenvorteil. Aufgrund dieses Kostenvorteils für den Arbeitgeber und der Flexibilität, die eine Sprinterklausel dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine Anschlussbeschäftigung bietet, ist sie gerade in Fällen von langen Kündigungsfristen zu empfehlen.

5.            Rückgabe von Betriebsmitteln

Immer wieder wird in Vergleichen pauschal die Rückgabe sämtlicher Betriebsmittel geregelt. Auch hier fehlt es an der Vollstreckbarkeit. Richtigerweise bedarf es einer detaillierten Aufzählung der zurückzugebenden Betriebsmittel, mit konkreter Beschreibung unter Angabe von Serien- oder Identifikationsnummer. Bei der Rückgabe von Dienstwagen sollten neben der Angabe von Marke und Kennzeichen auch das Zubehör (z.B. 2. Reifensatz der Marke XY) beschrieben werden.

6.            Auskunftsverlangen nach § 15 DS-GVO

Wurde eine Auskunftsersuchen nach § 15 DS-GVO gestellt, so ist zu empfehlen, hierzu eine ausdrückliche Regelung in den Vergleich aufzunehmen. Je nachdem, ob der Arbeitgeber die Auskunft bereits erteilt hat oder nicht, sollte geregelt werden, dass er das Auskunftsverlangen erfüllt hat oder der Arbeitnehmer an seinem Auskunftsverlangen kein Interesse mehr hat und er dieses nicht aufrechterhält. Dabei ist darauf zu achten, dass sich eine vergleichsweise Regelung nur auf ein bereits gestelltes, konkretes Auskunftsersuchen beziehen kann. Ein darüberhinausgehender Verzicht auf das arbeitnehmerseitige Auskunftsrecht ist aufgrund der damit verbundenen unzulässigen Beschränkung des Rechtes aus § 15 DS-GVO unwirksam.

7.            Erledigung

Oftmals sind sich Arbeitgeber nicht bewusst, dass Erledigungserklärungen in beide Richtungen wirken und sie sowohl Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber als auch arbeitgeberseitige Ansprüche gegen über dem Arbeitnehmer erledigen. Vom Abschluss vorschneller Erledigungserklärungen ist daher abzuraten. Erforderlich ist vielmehr eine sorgfältige Prüfung, ob arbeitgeberseits noch Ansprüche gegen den Arbeitnehmer bestehen.

III.          Fazit

Schon aufgrund ihres Regelungsspielraums, der weit über den Klageantrag hinausgehen kann, ist ein Vergleich im Kündigungsschutzverfahren ein prozessuales Gestaltungsmittel mit erheblichen Vorteilen. Damit der Vergleich auch in der Sache für den Arbeitgeber erfolgreich ist, sollte Folgendes berücksichtigt werden:

  • Vergleiche im schriftlichen Verfahren sind aufgrund ihrer besseren Vorbereitungsmöglichkeiten vorzugswürdig.
  • Eine umfassende und detaillierte Aufbereitung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses ist unerlässlich; dies betrifft etwa Gehaltsbestandteile, noch offene Ansprüche und zurückzugebende Betriebsmittel.
  • Die Vorbereitung von Vergleichen im Termin ist besonders wichtig. Es sollte davon abgesehen werden, die Formulierung eines Vergleichs allein dem Gericht zu überlassen.
  • Auch ist es bei Vergleichen im Termin unerlässlich, auf detaillierte Formulierungen – auch wenn sie lang und zeitaufwendig sind – zu bestehen. 
Dr. Constanze Mercedes Merkelbach-Scholtka

Dr. Constanze Mercedes Merkelbach-Scholtka ist spezialisiert auf Restrukturierungen einschließlich Massenentlassungen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen. Zudem verfügt sie über besondere Erfahrung in Aufhebungs- und Abwicklungsvertragsverhandlungen, der arbeitsrechtlichen Prozessführung und im Bereich Compliance.

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