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Das Betriebsratsmandat und die Identität des Betriebs: Ein Rechtsstreit in der Modewelt

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Betriebsräte sind in Deutschland wichtige Interessenvertreter der Mitarbeitenden. Sie haben die Aufgabe, die Belange der Belegschaft zu vertreten und betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrzunehmen. Doch was passiert, wenn der Betrieb, für den ein Betriebsrat gewählt wurde, seine Pforten schließt und ein neuer in unmittelbarer Nähe eröffnet wird? Ein aktueller Rechtsstreit bei einer spanischen Modekette wirft genau diese Frage auf und verdeutlicht die Bedeutung der Identität des Betriebs im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG).

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München (LAG München, Beschluss vom 5. Juni 2023, Az: 4 TaBV 51/22) sorgte für Aufsehen: Der Betriebsrat einer Filiale einer bekannten spanischen Modekette in Regensburg verlor sein Mandat, als die Filiale in der Altstadt geschlossen wurde. Das LAG München urteilte, dass mit der Schließung des Betriebs auch das Betriebsratsmandat erlischt. Interessanterweise übertrug sich das Mandat nicht auf die kurz darauf eröffnete Filiale in der Nähe. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

In a nutshell: Was ist ein Betrieb im Sinne des BetrVG?

Bevor wir tiefer in den Fall eintauchen, lohnt es sich, den Begriff “Betrieb” im Kontext des BetrVG zu erklären. Im Sinne des Gesetzes handelt es sich bei einem Betrieb um eine organisatorische Einheit, in der bestimmte wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Diese Einheit kann räumlich, organisatorisch und wirtschaftlich abgrenzbar sein. Betriebsräte werden für einen konkreten Betrieb gewählt und ihre Befugnisse erstrecken sich – bis auf wenige Ausnahmen – nur auf diesen Betrieb.

Der Fall Regensburg: Schließung und Neueröffnung

Die bekannte spanische Modekette entschied im Jahr 2022, eine Filiale in der Regensburger Altstadt zu schließen und gleichzeitig eine neue Filiale in unmittelbarer Nähe im Einkaufszentrum Arcaden zu eröffnen. Infolgedessen wurde der Mietvertrag der alten Filiale gekündigt und es wurde ein Sozialplan mit dem dortigen Betriebsrat verhandelt. Doch die Überraschung kam, als die neue Filiale im Oktober 2022 eröffnete: Die dortigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wählten einen eigenen Betriebsrat.

Der Rechtsstreit: Fortbestehen des Betriebsratsmandats

Der Betriebsrat der geschlossenen Filiale am Neupfarrplatz war der Meinung, dass sein Mandat auch für die neue Filiale fortbestehen müsse. Er argumentierte vor Gericht, dass der Betrieb lediglich an einen nahe gelegenen Ort verlagert wurde und weiterhin denselben Betriebszweck erfüllte. Alternativ sei es seiner Ansicht nach rechtsmissbräuchlich, den bestehenden Betriebsrat zu umgehen.

Die Arbeitgeberin hingegen argumentierte, dass die beiden Filialen unterschiedliche Betriebe seien, da sie verschiedene Produkte, Konzepte und Designs anbieten würden. Es fand keine Übernahme von Waren oder Personal statt und die geografische Lage war unterschiedlich – Altstadt versus Einkaufszentrum.

Das Urteil des LAG München

Das Landesarbeitsgericht München kam zu dem Schluss, dass es sich in diesem Fall um zwei eigenständige Betriebe handelt. Jede Filiale hatte ihr eigenes Personal, eine eigene Leitungsstruktur und ein eigenes Warensortiment. Auch wenn die Übernahme der Mitarbeitenden ursprünglich geplant war, gab es faktisch zwei parallel existierende Betriebe.

Das LAG München stellte fest, dass das Betriebsratsmandat sich nur auf einen der beiden Betriebe beziehen könne. Selbst wenn es der Arbeitgeberin darum gegangen wäre, den Betriebsrat der geschlossenen Filiale loszuwerden, sei dies nicht rechtswidrig. Das ursprüngliche Mandat des Betriebsrats konnte nicht auf den neuen Betrieb im Einkaufszentrum ausgeweitet werden, denn dies würde bedeuten, dass den dortigen Mitarbeitenden ein betriebsfremder Betriebsrat „übergestülpt“ worden wäre, den sie gar nicht gewählt haben, während die eigene Betriebsratswahl ungültig gewesen wäre. Dies steht, so die Richter, im Widerspruch zum Zweck des Betriebsrats, die betriebsspezifische Vertretung der Belegschaft zu sein.

Auswirkungen für die Praxis 

Auch wenn aus dem Urteil selbst keine unmittelbaren Rechtsfolgen für andere Unternehmen entstehen, hat der Rechtsstreit um das Fortbestehen des Betriebsratsmandats beim spanischen Fashionlabel wichtige Implikationen für die Praxis.

Klarheit über die Betriebsidentität: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich der Bedeutung der Betriebsidentität bewusst sein. Wenn ein Betrieb aufgelöst oder verlagert wird, hat dies direkte Auswirkungen auf das Betriebsratsmandat. Klarheit über die neuen Strukturen und ihre betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen ist daher entscheidend.

Bewusstsein für den Schutz der Arbeitnehmerrechte: Der Fall Regensburg zeigt, dass Arbeitnehmerrechte, die durch einen Betriebsrat vertreten werden, schützenswert sind. Der Betriebsrat als Interessenvertreter der Mitarbeitenden eines Betriebes darf diesen aber auch nicht aufgezwungen werden, wenn es sich nicht um den Spezialfall einer identitätswahrenden Integration eines Betriebs in einen anderen Betrieb handelt. Im konkreten Fall war die Entscheidung des LAG daher zu befürworten. Letztlich kam es aber auch hier auf die Umstände des Einzelfalls an, die einer Wahrung der Betriebsidentität durch Neueröffnung einer Filiale entgegenstanden. 

Sorgfältige Planung bei Betriebsverlagerungen und Reorganisationen: Unternehmen, die Betriebsverlagerungen oder -schließungen in Erwägung ziehen, sollten diese sorgfältig planen und rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Eine klare Kommunikation mit den betroffenen Mitarbeitern und dem Betriebsrat ist entscheidend, um mögliche Konflikte zu vermeiden. So sollte z.B. ein vollständiger Betriebsübergang vermieden werden, wenn ein Mitwandern des Betriebsrats nicht gewünscht ist. Ebenso sollten bei jeglichen Reorganisationen Überlegungen zu den zukünftigen Strukturen angestellt werden, um möglicherweise sogar eine Neuordnung der betriebsverfassungsrechtlichen Landschaft zu erreichen. Hier gibt die Definition der Betriebsidentität dem Arbeitgeber Gestaltungsspielräume, die genutzt werden können. 

Verena Braeckeler-Kogel
Verena Braeckeler-Kogel, MAES (Basel)

Verena Braeckeler-Kogel ist spezialisiert auf internationales Arbeitsrecht, Restrukturierungen, Betriebsschließungen und -verlegungen sowie auf Betriebsübergänge, mit einer besonderen Expertise in den Branchen Finanzen, Banken und Versicherung.

Dr. Friedrun Domke

Dr. Friedrun Domke ist spezialisiert auf die strategische als auch die tagesgeschäftsbezogene arbeitsrechtliche Beratung von nationalen und internationalen Unternehmen sowie auf die rechtliche Begleitung von Start-ups.

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