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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

Betriebsbedingte Änderungskündigung während Mutterschutz bzw. Elternzeit

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Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat im Juli 2022 (05.07.2022 – 16 Sa 1750/21) zu einer betriebsbedingten Änderungskündigung während der Elternzeit einer Mitarbeiterin entschieden. Diese Entscheidung ist insofern interessant, als sie auch allgemeine Grundsätze für die Kündigung während Mutterschutz und Elternzeit beinhaltet.

Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde?

Die klagende Mitarbeiterin war bei der Arbeitgeberin zunächst als Verkäuferin tätig gewesen. Zum 01. Januar 2019 wurde sie befördert und auf der neu geschaffenen Position Category Manager beschäftigt, bevor sie der Arbeitgeberin Mitte Februar ihre Schwangerschaft offenbarte. Ab dem 7. Mai 2019 befand sich die Mitarbeiterin in einem Beschäftigungsverbot. Am 16. Juni 2019 begann der Mutterschutz der Mitarbeiterin und im Anschluss daran beanspruchte sie Elternzeit. Ab dem 24. April 2020 wollte die Mitarbeiterin in Teilzeit während der Elternzeit zurückkehren.

Die Geschäftsführung der Arbeitgeberin traf am 25. Juni 2019 – also wenige Tage nach Beginn des Mutterschutzes der Mitarbeiterin – die Entscheidung, die Position Category Manager ersatzlos zu streichen, weil aufgrund einer innerbetrieblichen Umstrukturierung die Position ab dem 01. Juli 2019 nicht mehr benötigt wurde. Die Aufgaben der Position Category Manager sollte wieder die Geschäftsführung übernehmen. Diese Entscheidung wurde auch tatsächlich umgesetzt, d.h. die Position Category Manager wurde nicht wieder besetzt und die Geschäftsführung führte die Aufgaben aus.

Die Arbeitgeberin beantragte im April 2020 bei der zuständigen Behörde, die beabsichtige Änderungskündigung der Mitarbeiterin für zulässig zu erklären. Man beabsichtigte, die Mitarbeiterin wieder als Verkäuferin zu beschäftigen. Die Behörde erklärte die Änderungskündigung für zulässig. Sodann erklärte die Arbeitgeberin gegenüber der Mitarbeiterin unter dem 30. Juli 2020 die Kündigung und bot ihr unter Beachtung der Kündigungsfrist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Verkäuferin an. Die Mitarbeiterin nahm das Angebot nicht – auch nicht unter Vorbehalt – an. 

Wie hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden?

Bereits das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Diese Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis bestätigt. Das Landesarbeitsgericht sah die Änderungskündigung als sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG an und führte hierzu Folgendes aus:

Die Arbeitgeberin konnte ihre unternehmerische Entscheidung vom 25. Juni 2019, die sie schriftlich fixiert hatte, schlüssig darlegen. Als Hintergrund für die innerbetriebliche Umstrukturierung, die einzig zum Wegfall der Position Category Manager führte, wurde das Beschäftigungsverbot, der Mutterschutz und die Elternzeit der Mitarbeiterin benannt. Die Arbeitgeberin habe sich deshalb entschieden, die Aufgaben der Position Category Manager wieder von der Geschäftsführung ausführen zu lassen. 

Diese Entscheidung sei auch tatsächlich umgesetzt worden. Die Mitarbeiterin wurde während ihrer Teilzeittätigkeit in der Elternzeit seit dem 24. April 2020 – also drei Monate vor Ausspruch der Änderungskündigung – tatsächlich nur als Verkäuferin beschäftigt. Die Position Category Manager entfiele außerdem dauerhaft und die Aufgaben seien von der Geschäftsführung wahrgenommen worden.

Die unternehmerische Entscheidung der Geschäftsführung sei auch nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich – auch wenn als Hintergrund für die Entscheidung das Beschäftigungsverbot, der Mutterschutz und die Elternzeit der Mitarbeiterin benannt wurde. Die Entscheidung sei insbesondere nicht deshalb unsachlich oder willkürlich, weil sie während des Mutterschutzes der Mitarbeiterin getroffen und während ihrer Elternzeit umgesetzt wurde. Eine Kündigung während des Mutterschutzes und der Elternzeit könne nach § 17 Abs. 1 Mutterschutzgesetz bzw. § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für zulässig erklärt werden, sodass eine Kündigung während des Mutterschutzes und der Elternzeit möglich ist. Auch die Entscheidung, die Aufgaben der Position Category Manager der Geschäftsführung zu übertragen, sei weder unsachlich noch willkürlich, zumal die Geschäftsführung vor Schaffung der Position Category Manager zum 01. Januar 2019 die Aufgaben bereits jahrelang ausgeübt habe.

Die Änderungskündigung sei nach Ansicht des Landesarbeitsgericht auch im engeren Sinn verhältnismäßig und deshalb wirksam. Liegen betriebsbedingte Kündigungsgründe vor, kann sich eine einzelfallbezogene Interessenabwägung, wenn überhaupt, allenfalls in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Die vorliegende Änderungskündigung während der Elternzeit, die gerade nicht zu einem Verlust des Arbeitsplatzes geführt hätte, sondern lediglich zu einem Einkommensverlust, lasse die Interessenabwägung nicht zugunsten der Mitarbeiterin ausfallen. Das Änderungsangebot sei auf solche Änderungen – Änderung der Tätigkeit und der Vergütung – beschränkt gewesen, die die Mitarbeiterin billigerweise hätte hinnehmen müssen, da sie bereits bis zur Übertragung der Position Category Manager als Verkäuferin zu der angebotenen Vergütung tätig war.

Was kann man aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts ableiten?

Oft entsteht der Eindruck, dass insbesondere Arbeitnehmerinnen in Mutterschutz und Elternzeit unantastbar sind. Dem ist jedoch nicht so. Liegen z. B. tatsächlich dringende betriebliche Erfordernisse vor und wurde das besondere Verfahren nach § 17 Abs. 2 Mutterschutzgesetz bzw. § 18 Abs. 1 Satz 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz eingehalten – also die Zulässigkeitserklärung bei der zuständigen Behörde eingeholt –, kann eine Kündigung durchaus ausgesprochen werden und wirksam sein. Der Sonderkündigungsschutz nach Mutterschutzgesetz und Elternzeitgesetz hindert den Arbeitgeber nicht, eine unternehmerische Entscheidung zu treffen, die zum Wegfall der Stelle führt und betriebsbedingt eine Kündigung rechtfertigt.

Sabine Jantzen
Sabine Jantzen

Sabine Jantzen ist spezialisiert auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen und Auflösungsvereinbarungen, Unternehmensumstrukturierungen und Kündigungsrechtsstreitigkeiten.

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