Zum 1. Januar 2018 wurde das
Mutterschutzgesetz (MuSchG) umfassend reformiert. Das neue MuSchG verpflichtet
den Arbeitgeber insbesondere zur Durchführung einer abstrakten Gefährdungsbeurteilung
für jede Tätigkeit im Unternehmen.
Diese Beurteilung muss zusätzlich
im Rahmen der nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes vorgeschriebenen allgemeinen Beurteilung
der Arbeitsbedingungen vorgenommen werden. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage
hat die Beurteilung nach dem MuSchG nunmehr für jede Tätigkeit zu erfolgen und
nicht erst, wenn eine schwangere oder stillende Frau diese ausübt. Ebenfalls
unerheblich ist, ob eine Tätigkeit von einer Frau ausgeübt wird und ob der
Arbeitgeber überhaupt weibliche Arbeitnehmerinnen beschäftigt.
Der Zweck des
Mutterschutzgesetzes, die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeitsplatz während
der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit zu schützen und
es der Frau zu ermöglichen, ihre Beschäftigung in dieser Zeit ohne Gefährdung
ihrer Gesundheit oder der ihres Kindes fortzusetzen, ist unbestritten sinnvoll.
Die neuen Vorschriften zur Gefährdungsbeurteilung sind jedoch so weitgehend und
realitätsfern gestaltet, dass vor allem zusätzliche administrative Bürden für
Unternehmen entstehen. Dennoch weisen wir nachfolgend auf die neue Rechtslage
hin.
1. Abstrakte Gefährdung?
Der Arbeitgeber hat gemäß § 10
Abs. 1 S. 1 MuSchG in einem ersten Schritt für jede Tätigkeit die Gefährdung
nach Art, Ausmaß und Dauer zu beurteilen, denen eine schwangere oder stillende
Frau bzw. ihr Kind ausgesetzt sein kann. In einem zweiten Schritt hat der
Arbeitgeber auf dieser Grundlage abstrakt zu ermitteln, ob und ggf. welche
Schutzmaßnahmen für den Fall erforderlich sein werden, dass die betreffende
Tätigkeit von einer schwangeren oder stillenden Frau ausgeübt wird. Bei der
jeweiligen Beurteilung können sich Arbeitgeber von den Betriebsärzten und den
Fachkräften für Arbeitssicherheit unterstützen lassen. Für Betriebe, in denen
ein Betriebsrat besteht, ist dessen zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87
Abs.1 Nr. 7 BetrVG zu beachten, das auch den Gesundheitsschutz im Rahmen der
gesetzlichen Vorschriften umfasst.
Bei der abstrakten
Gefährdungsbeurteilung sind die im MuSchG genannten Gefährdungstatbestände für
schwangere und stillende Frauen, insbesondere physikalische Gefährdungen (z.B.
ständiges Stehen, extreme Hitze oder Kälte, Lärm) und chemische Gefährdungen
(z.B. durch Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen) zu berücksichtigen. Dies
gilt auch für die im MuSchG geregelten Verbote und Beschränkungen im Hinblick
auf Mehrarbeit, Nachtarbeit und Sonn- und Feiertagsarbeit. Zudem sind bei den Gesundheitsministerien
der Länder Formulare für die Gefährdungsbeurteilung nach alter Rechtslage
abrufbar. An den dort aufgeführten Kriterien wird sich auch die abstrakte
Gefährdungsbeurteilung nach neuer Rechtslage orientieren.
2. Konkrete Gefährdung?
Sobald eine Arbeitnehmerin dem
Arbeitgeber eine Schwangerschaft oder Stillzeit mitteilt, muss in einem
weiteren Schritt eine individuelle Gefährdungsbeurteilung stattfinden. Der
Arbeitgeber hat unverzüglich die bereits abstrakt ermittelten erforderlichen
Schutzmaßnahmen festzulegen und der Arbeitnehmerin ein Gespräch über weitere
Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen anzubieten.
3. Dokumentation und Information
Der Arbeitgeber muss sowohl die
abstrakte, als auch die individuelle Gefährdungsbeurteilung durch Unterlagen
dokumentieren. Die Dokumentation muss auch solche Gefährdungen beinhalten, die
der Arbeitgeber zwar erkannt hat, aber als hinnehmbar einstuft.
Für die abstrakte
Gefährdungsbeurteilung müssen aus den Unterlagen das Ergebnis der Beurteilung
sowie der ermittelte Bedarf an Schutzmaßnahmen ersichtlich sein. Ergibt die
Beurteilung, dass Frau und Kind keiner Gefährdung ausgesetzt werden können,
genügt ein kurzer Vermerk hierüber in einer bereits erstellten Beurteilung der
Arbeitsbedingungen nach § 5 Arbeitsschutzgesetz.
Für die individuelle
Gefährdungsbeurteilung muss deren Ergebnis, die Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen
sowie das Gesprächsangebot an die betreffende Arbeitnehmerin dokumentiert
werden.
Der Arbeitgeber muss zudem alle
bei ihm beschäftigten Personen (auch die männlichen Mitarbeiter) über das
Ergebnis der abstrakten Gefährdungsbeurteilung und den ermittelten Bedarf an
Schutzmaßnahmen informieren. Schwangere oder stillende Mitarbeiterinnen hat der
Arbeitgeber über die konkretisierte Beurteilung der Arbeitsbedingungen und die
für ihren Arbeitsplatz festgelegten Schutzmaßnahmen zu informieren. Eine
bestimmte Form für diese Informationen schreibt das MuSchG nicht vor, nach der
Gesetzesbegründung können allerdings Einsichtsrechte der Mitarbeiter in die im
Rahmen der Gefährdungsbeurteilung erstellten Unterlagen bestehen. Offen ist
derzeit, in welchen Zeitabständen bzw. zu welchen Anlässen
Gefährdungsbeurteilungen nach dem neuen MuSchG wiederholt bzw. aktualisiert
werden müssen.
4. Bußgelder
Verstöße gegen die oben
beschriebenen Verpflichtungen sind bußgeldbewährt. Aktuell beziehen sich die
Bußgeldtatbestände auf Verstöße bei der individuellen Gefährdungsbeurteilung. Ab
1. Januar 2019 kann allerdings ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5.000
Euro je Einzelfall auch verhängt werden, wenn der Arbeitgeber die abstrakte
Gefährdungsbeurteilung oder die Ermittlung der erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht,
nicht richtig oder nicht rechtzeitig durchführt. Verstöße gegen die
Dokumentations- und Informationspflichten
können in Zukunft ebenfalls bußgeldbewährt sein, sofern die Bundesregierung
durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zur Dokumentation und Information
festlegt.
Auch wenn bei Verstoß gegen die
neue Verpflichtung zur abstrakten Gefährdungsbeurteilung noch nicht unmittelbar
Bußgelder drohen, sollten sich Arbeitgeber bereits jetzt mit den neuen
Anforderungen des MuSchG vertraut machen und die internen Prozesse entsprechend
anpassen.