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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

Welcher Arbeitsplatz gefährdet Schwangere? Reformiertes Mutterschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber seit 1. Januar 2018 zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung für jede Tätigkeit

Seit dem 1. Januar 2018 sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, für jede im Unternehmen ausgeübte Tätigkeit eine abstrakte Beurteilung etwaiger Gefahren für schwangere und stillende Frauen vorzunehmen, zu dokumentieren und alle Mitarbeiter hierüber zu informieren. Diese Verpflichtungen  gelten unabhängig davon, ob der Arbeitgeber überhaupt schwangere oder stillende Frauen beschäftigt. Bei Nichtbeachtung droht ab 1. Januar 2019 ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro je Einzelfall.

Haende balancieren Baelle

Zum 1. Januar 2018 wurde das Mutterschutzgesetz (MuSchG) umfassend reformiert. Das neue MuSchG verpflichtet den Arbeitgeber insbesondere zur Durchführung einer abstrakten Gefährdungsbeurteilung für jede Tätigkeit im Unternehmen.

Diese Beurteilung muss zusätzlich im Rahmen der nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes vorgeschriebenen allgemeinen Beurteilung der Arbeitsbedingungen vorgenommen werden. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage hat die Beurteilung nach dem MuSchG nunmehr für jede Tätigkeit zu erfolgen und nicht erst, wenn eine schwangere oder stillende Frau diese ausübt. Ebenfalls unerheblich ist, ob eine Tätigkeit von einer Frau ausgeübt wird und ob der Arbeitgeber überhaupt weibliche Arbeitnehmerinnen beschäftigt.

Der Zweck des Mutterschutzgesetzes, die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeitsplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit zu schützen und es der Frau zu ermöglichen, ihre Beschäftigung in dieser Zeit ohne Gefährdung ihrer Gesundheit oder der ihres Kindes fortzusetzen, ist unbestritten sinnvoll. Die neuen Vorschriften zur Gefährdungsbeurteilung sind jedoch so weitgehend und realitätsfern gestaltet, dass vor allem zusätzliche administrative Bürden für Unternehmen entstehen. Dennoch weisen wir nachfolgend auf die neue Rechtslage hin.

1. Abstrakte Gefährdung?

Der Arbeitgeber hat gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 MuSchG in einem ersten Schritt für jede Tätigkeit die Gefährdung nach Art, Ausmaß und Dauer zu beurteilen, denen eine schwangere oder stillende Frau bzw. ihr Kind ausgesetzt sein kann. In einem zweiten Schritt hat der Arbeitgeber auf dieser Grundlage abstrakt zu ermitteln, ob und ggf. welche Schutzmaßnahmen für den Fall erforderlich sein werden, dass die betreffende Tätigkeit von einer schwangeren oder stillenden Frau ausgeübt wird. Bei der jeweiligen Beurteilung können sich Arbeitgeber von den Betriebsärzten und den Fachkräften für Arbeitssicherheit unterstützen lassen. Für Betriebe, in denen ein Betriebsrat besteht, ist dessen zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr. 7 BetrVG zu beachten, das auch den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften umfasst.

Bei der abstrakten Gefährdungsbeurteilung sind die im MuSchG genannten Gefährdungstatbestände für schwangere und stillende Frauen, insbesondere physikalische Gefährdungen (z.B. ständiges Stehen, extreme Hitze oder Kälte, Lärm) und chemische Gefährdungen (z.B. durch Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen) zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die im MuSchG geregelten Verbote und Beschränkungen im Hinblick auf Mehrarbeit, Nachtarbeit und Sonn- und Feiertagsarbeit. Zudem sind bei den Gesundheitsministerien der Länder Formulare für die Gefährdungsbeurteilung nach alter Rechtslage abrufbar. An den dort aufgeführten Kriterien wird sich auch die abstrakte Gefährdungsbeurteilung nach neuer Rechtslage orientieren.

2. Konkrete Gefährdung?

Sobald eine Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber eine Schwangerschaft oder Stillzeit mitteilt, muss in einem weiteren Schritt eine individuelle Gefährdungsbeurteilung stattfinden. Der Arbeitgeber hat unverzüglich die bereits abstrakt ermittelten erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen und der Arbeitnehmerin ein Gespräch über weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen anzubieten.

3. Dokumentation und Information

Der Arbeitgeber muss sowohl die abstrakte, als auch die individuelle Gefährdungsbeurteilung durch Unterlagen dokumentieren. Die Dokumentation muss auch solche Gefährdungen beinhalten, die der Arbeitgeber zwar erkannt hat, aber als hinnehmbar einstuft.

Für die abstrakte Gefährdungsbeurteilung müssen aus den Unterlagen das Ergebnis der Beurteilung sowie der ermittelte Bedarf an Schutzmaßnahmen ersichtlich sein. Ergibt die Beurteilung, dass Frau und Kind keiner Gefährdung ausgesetzt werden können, genügt ein kurzer Vermerk hierüber in einer bereits erstellten Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 Arbeitsschutzgesetz.

Für die individuelle Gefährdungsbeurteilung muss deren Ergebnis, die Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen sowie das Gesprächsangebot an die betreffende Arbeitnehmerin dokumentiert werden.

Der Arbeitgeber muss zudem alle bei ihm beschäftigten Personen (auch die männlichen Mitarbeiter) über das Ergebnis der abstrakten Gefährdungsbeurteilung und den ermittelten Bedarf an Schutzmaßnahmen informieren. Schwangere oder stillende Mitarbeiterinnen hat der Arbeitgeber über die konkretisierte Beurteilung der Arbeitsbedingungen und die für ihren Arbeitsplatz festgelegten Schutzmaßnahmen zu informieren. Eine bestimmte Form für diese Informationen schreibt das MuSchG nicht vor, nach der Gesetzesbegründung können allerdings Einsichtsrechte der Mitarbeiter in die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung erstellten Unterlagen bestehen. Offen ist derzeit, in welchen Zeitabständen bzw. zu welchen Anlässen Gefährdungsbeurteilungen nach dem neuen MuSchG wiederholt bzw. aktualisiert werden müssen.

4. Bußgelder

Verstöße gegen die oben beschriebenen Verpflichtungen sind bußgeldbewährt. Aktuell beziehen sich die Bußgeldtatbestände auf Verstöße bei der individuellen Gefährdungsbeurteilung. Ab 1. Januar 2019 kann allerdings ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5.000 Euro je Einzelfall auch verhängt werden, wenn der Arbeitgeber die abstrakte Gefährdungsbeurteilung oder die Ermittlung der erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig durchführt. Verstöße gegen die Dokumentations-  und Informationspflichten können in Zukunft ebenfalls bußgeldbewährt sein, sofern die Bundesregierung durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zur Dokumentation und Information festlegt.

Auch wenn bei Verstoß gegen die neue Verpflichtung zur abstrakten Gefährdungsbeurteilung noch nicht unmittelbar Bußgelder drohen, sollten sich Arbeitgeber bereits jetzt mit den neuen Anforderungen des MuSchG vertraut machen und die internen Prozesse entsprechend anpassen.

Meike Christine Rehner

Meike Christine Rehner ist spezialisiert auf internationales und europäisches Arbeitsrecht, Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsrecht, Unternehmensrestrukturierungen und Kündigungsrechtsstreitigkeiten.

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