Die BaFin zieht die Schrauben an
Mit der weiteren Reglementierung der Vergütung von Banken-Mitarbeitern will man auf europäischer Ebene noch stärker als bislang der Gefahr einer erneuten Finanzkrise entgegenwirken. Die European Banking Authority (EBA) hatte in diesem Zusammenhang zum 1. Januar 2017 ihre „Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik“ erlassen. Sie richten sich einerseits direkt an die Institute, die dem Geltungsbereich der Richtlinie CRD IV und der Verordnung CRR unterfallen. Andererseits sind die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden aufgefordert, die Leitlinien weit möglichst anzuwenden. Aus diesem Grund hat die BaFin als deutsche Aufsichtsbehörde die Institutsvergütungsverordnung (IVVO) mit Wirkung zum 4. August 2017 geändert. Das zunächst für das 1. Quartal 2017 angekündigte In-Kraft-Treten ließ dann doch bis zur vergangenen Woche auf sich warten. Seit dem Frühjahr hat es noch einige redaktionelle, aber auch inhaltliche Anpassungen an der neuen IVVO gegeben. Wir blicken auf die wesentlichen Änderungen – und einige, die die BaFin im Laufe des Reformprozesses doch wieder verworfen hat:
Erhalten bleibt die Systematik, dass verschärfte Anforderungen für die sog. „bedeutenden Institute“ gelten. Dabei hat die BaFin den von der EBA empfohlenen Schwellenwert der Bilanzsumme von 5 Mrd. Euro zur Klassifizierung als bedeutendes Institut nicht übernommen, sondern den Wert von 15 Mrd. Euro beibehalten.
Auch die Pflicht zur Identifizierung der sog. „Risikoträger“ in den eigenen Reihen wird in der IVVO entgegen der Empfehlung der EBA nicht auf alle Institute ausgeweitet, sondern bleibt auf die bedeutenden Institute beschränkt. Damit bleiben Institute mit einer Bilanzsumme von weniger als 15 Mrd. Euro von den komplexen Regelungen für Risikoträger und dem Prozess ihrer Identifizierung verschont.
Schließlich hat die die BaFin darauf verzichtet, dass nachgeordnete Institute innerhalb einer Unternehmensgruppe, die angesichts ihrer Geschäftstätigkeit den spezifischen Vergütungsregelungen gemäß EU-Richtlinien zu AIFM oder UCITS unterfallen, auch in den Geltungsbereich der ansonsten von der IVVO geforderten Gruppen-Vergütungsstrategie einbezogen werden müssen. Im Übrigen sind für eine Unternehmensgruppe mit einem bedeutenden Institut nunmehr auch Gruppen-Risikoträger zu identifizieren und entsprechend den besonderen Regelungen für Risikoträger zu behandeln.
Kategorisierung von Vergütungsbestandteilen und neue Regelungen zu Abfindungen
Den EBA-Leitlinien folgend sieht die IVVO nunmehr vor, dass es ausschließlich zwei Kategorien von Vergütungsbestandteilen geben kann: fixe und variable. Jede Form von Vergütung muss einer dieser beiden Kategorien zugeordnet werden. Dazu enthält die die IVVO nunmehr eine mehrere Tatbestandsmerkmale umfassende Definition der fixen Vergütung. Alles was danach nicht als fixe Vergütung einzustufen ist, ist variable Vergütung. Das soll ausdrücklich auch dann gelten, wenn eine eindeutige Zuordnung zur Fixvergütung nicht möglich ist.
Die Vergütungspraxis in Europa war nach der Einführung des Bonus-Caps in der EU teilweise recht kreativ darin, zusätzliche, z.T. nur sporadisch gewährte Rollen-Zulagen zu „erfinden“, die als die Fix-Vergütung erhöhender Bestandteil anzusehen sein sollten. Dadurch wurde – dem Cap formal entsprechend – eine höhere variable Vergütung möglich. Die EBA-Leitlinien und nun auch die IVVO wollen dieser Praxis begegnen. Es ist insoweit ausdrücklich geregelt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte nicht dauerhaft gewährte Zulagen als Fix-Vergütung zu behandeln sind.
Die neue IVVO widmet sich sehr umfangreich dem Thema Abfindungszahlungen. Systemfremd aus Sicht des deutschen Arbeitsrechts ist dabei der Ansatz, dass Abfindungen – wie im Übrigen auch die nun geregelten Karenzentschädigungen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote – grundsätzlich als variable Vergütung gelten. Institute müssen in ihrem zu dokumentierenden Vergütungssystem nunmehr Grundsätze für die Gewährung von Abfindungen aufnehmen und dabei auch einen Höchstbetrag festsetzen oder Kriterien zur Bestimmung von Abfindungsbeträgen festschreiben. Auch das ist etwas befremdlich. Kein Unternehmen – auch nicht eine Bank – lässt sich bei Trennungsfällen und dem damit verbundenen Abfindungspoker gern in die Karten schauen. Angesichts der gängigen Praxis relevant und begrüßenswert sind einige der festgelegten Ausnahmen vom Grundsatz der Behandlung als variable Vergütung, z.B. Abfindungen in gerichtlichen Vergleichen oder solche, die den Schwellenbetrag von 200% der letzten Jahresfixvergütung nicht übersteigen. Damit bleiben Paketlösungen bei der einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen in vielen Fällen möglich und werden nicht unnötig durch bürokratische Hemmnisse erschwert.
Modalitäten der Zahlung und Formen variabler Vergütung in bedeutenden Instituten
Einen Änderungsschwerpunkt in der IVVO bilden die ergänzten Vorschriften zur – insbesondere rückwirkenden – Risikoadjustierung variabler Vergütungen von Risikoträgern durch Deferrals und Malus-Regelungen. Zudem werden Institute verpflichtet, in bestimmten Fällen Mitarbeitern bereits zugeflossene Leistungen teilweise oder gar vollständig zurückzufordern (claw back). Hier kommt es künftig auf die Ausgestaltung von entsprechenden Rückzahlungsvorbehalten an. Dabei ist völlig offen, wie Arbeitsgerichte derartige Rückforderungen für vergangene Leistungszeiträume in diesem speziell regulierten Umfeld bewerten werden.
Neu hinzugekommen in der IVVO ist die grundsätzliche Pflicht, einen wesentlichen Anteil der variablen Vergütung in Form von Finanz-Instrumenten zu gewähren. Dazu zählen neben Aktien und vergleichbaren verbrieften Beteiligungen nun z.B. auch bail-in-ables, also Instrumente, die als Schuldverschreibungen starten und bei eintretender wirtschaftlicher Schieflage als Anteilsschein enden können.
Die Änderungen in der IVVO zu den „zusätzlichen Leistungen zur Altersversorgung“ weisen einige dem deutschen Betriebsrentenrecht systemfremde Züge auf. So wirft etwa die Pflicht, solche Leistungen in Form von Finanz-Instrumenten zu gewähren, zumindest Fragen nach der Verträglichkeit mit dem Grundprinzip der Einstandspflicht und der betriebsrentenrechtlichen Anpassungsprüfpflicht auf.
Neben diesen wesentlichen materiellen Änderungen wurden zudem auch die Dokumentations- und Offenlegungspflichten ausgeweitet.
Ein Fazit
Die Regelungsdichte nimmt mit diesen Änderungen der IVVO insgesamt weiter zu. Ein Ende der Regulierung in diesem dynamischen Regelungsbereich ist nicht absehbar. Das liegt nicht zuletzt an der Dynamik der Finanzindustrie selbst – die Regulierungsbehörden sehen sich zu immer neuen Justierungen herausgefordert.
Für die betroffenen Institute ergibt sich durch diese erneute Weiterentwicklung der Regelungen ein z.T. beträchtlicher Umsetzungsaufwand. Die EBA selbst meint dazu, dass die Umsetzung für die Unternehmen angesichts der Komplexität der Materie – und dem anhaltenden Compliance-Fieber – nur effektiv und effizient zu bewältigen ist, wenn sie spezielle Expertise dafür in Anspruch nehmen.