Bereits zu Beginn des weltweiten Ausbruchs des Corona Virus (COVID-19) versuchten sich Arbeitnehmer besonders gefährdeter Berufsgruppen durch Mundschutz und andere Maßnahmen wie z.B. das Tragen von Gummihandschuhen vor der Ansteckung mit dem neuartigen Virus zu schützen. So erschienen beispielsweise Mitte März Mitarbeiter einiger Duty-Free Läden an den Flughäfen in Berlin mit Mundschutz zur Arbeit, um sich beim Kontakt mit Flugreisenden aus aller Welt nicht mit dem Virus anzustecken. Auch am Flughafen Düsseldorf kamen bereits Anfang Januar Mitarbeiter der Personenkontrolle mit eigenem Mundschutz zur Arbeit. In beiden Fällen untersagte der Arbeitgeber damals noch das Tragen des Mundschutzes – wohl auch, um eine aufkommende Panik und weitere Verunsicherung unter den Kunden und Reisenden zu verhindern. Im Fall der Mitarbeiter an den Flughäfen in Berlin reichte der zuständige Betriebsrat sogar eine einstweilige Verfügung gegen das Verbot des Arbeitgebers bei Gericht ein. Da sowohl an den Flughäfen in Berlin als auch in Düsseldorf das Verbot des Tragens eines Mundschutzes für die betroffenen Mitarbeiter vom Arbeitgeber schließlich doch zurückgenommen wurde, erging damals keine gerichtliche Entscheidung zum Thema Mundschutz am Arbeitsplatz.
Mittlerweile hat sich die Situation bekanntermaßen stark verändert.
Mit anhaltender Verbreitung des Virus bleibt die Frage, ob der Arbeitgeber einen Mundschutz im Büro verbieten oder gerade vorschreiben kann, weiterhin aktuell. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass seit letzter Woche in allen Bundesländern das Tragen eines Mundschutzes in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in den Geschäften des Einzelhandels Pflicht ist. Teilweise kann das Nichttragen sogar mit einem Bußgeld sanktioniert werden. Zudem hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in seinen Covid-19-Arbeitsschutzstandards vom 16.04.2020 nun auch ausdrücklich das Tragen von Mund- und Nasenschutz bei der Arbeit für Bereiche, in denen ein Sicherheitsabstand von 1,50 m nicht eingehalten werden kann oder ein erhöhter Kontakt mit Dritten besteht, als Maßnahme beschlossen.
Rechtlicher Ausgangspunkt für die Anordnung oder das Verbot eines Mundschutzes im Büro bildet das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO, das dieser nach billigem Ermessen auszuüben hat. Daneben hat der Arbeitgeber aber auch eine arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter, die sich u.a. aus § 618 BGB ableiten lässt und durch § 3 ArbSchG konkretisiert wird. Der Arbeitgeber hat Erkrankungsrisiken und Gesundheitsgefahren im Betrieb so gering wie möglich zu halten. Um Risiken und Gefahren zu ermitteln, muss der Arbeitgeber regelmäßige Gefährdungsbeurteilungen durchführen und danach angemessene Schutzmaßnahmen treffen. Welche konkreten Maßnahmen er dabei einsetzt, bleibt ihm weitgehend selbst überlassen, soweit diese geeignet sind, die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten und Infektionsrisiken vorzubeugen.
Der Arbeitgeber hat somit grundsätzlich bei seiner Entscheidung eine Abwägung zu treffen: will er einen Mundschutz in seinem Betrieb verbieten, muss er das Schutzinteresse des Arbeitnehmers mit seinem Interesse an einem bestimmten Erscheinungsbild der Arbeitnehmer gegenüber den Kunden abwägen. In Betrieben in denen der Mindestabstand von 1,50 m nicht eingehalten werden kann, in Läden des Einzelhandels oder anderen Betrieben mit häufigem Kundenkontakt ist das Abwägungsergebnis hier aber nun wohl durch die Covid-19-Arbeitsschutzstandards vorgezeichnet. Ein Mundschutzverbot des Arbeitgebers ist in diesen Bereichen nicht angemessen. Vielmehr hat der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer gerade dazu aufzufordern, einen Mundschutz zu tragen und entsprechende Artikel zur Verfügung zu stellen. Die Covid-19-Arbeitsschutzstandards stellen zwar, auch wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sie selbst als „verbindlich“ bezeichnet, kein Gesetz oder Verordnung dar, sie dienen jedoch als Konkretisierung der weit gefassten Verpflichtungen des Arbeitgeber aus § 3 ArbSchG. Der Arbeitgeber ist somit gut beraten, sich auch an diese Konkretisierungen zu halten, um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Arbeitnehmern und/oder Behörden zu vermeiden.
Umgekehrt entspricht eine Anordnung des Arbeitgebers auch Mundschutz in allen anderen Büroräumen zu tragen, aktuell wohl billigem Ermessen. Schließlich liegt es auch im Interesse des Arbeitgebers, seinen Betrieb mit ausreichend gesunden Mitarbeitern aufrecht zu erhalten.
Besteht im Unternehmen des Arbeitgebers ein Betriebsrat, ist dieser in die Entscheidung einzubeziehen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Gesundheitsschutzes. Unter die Ordnung des Betriebes fallen auch Bekleidungsvorschriften und zwar sowohl hinsichtlich spezieller Dienstkleidung als auch allgemeiner Bekleidungsvorschriften. Können sich die Betriebsparteien in diesen Angelegenheiten nicht einigen, entscheidet nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle. Eine Maßnahme, die der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrates in diesem Bereich trifft, ist unwirksam. Der Betriebsrat hat die Möglichkeit auf Unterlassung der entsprechenden Maßnahme durch den Arbeitgeber zu klagen. Dies kann auch im Hinblick auf die aktuelle Situation im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgen.
Besteht kein Betriebsrat, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zumindest über die Gesundheitsgefahren und etwaige Schutzvorkehrungen nach § 81 Abs. 3 BetrVG zu informieren. In Extremfällen steht den Arbeitnehmern zudem ein Beschwerderecht nach § 17 Abs. 2 ArbSchG zu. Will der Arbeitgeber individuell für seinen Betrieb als zusätzliche Maßnahme das Tragen eines Mundschutzes einführen, ist darauf zu achten auch den Betriebsrat zu beteiligen. Da aktuell bereits in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens eine Mundschutzpflicht besteht, wird eine entsprechend Regelung bei den Arbeitnehmern und dem Betriebsrat wohl auf Verständnis stoßen.