Der Brexit rückt näher und die deutsche Regierung schickt
sich an, Londoner Finanzinstitute nach Deutschland locken zu wollen. Die im
Koalitionsvertrag avisierte Lockerung des Kündigungsschutzes für Top-Banker
soll nach dem Willen der Regierung kommen. Vor wenigen Tagen wurde ein
Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums veröffentlicht, der sich
eigentlich mit steuerlichen Begleitregelungen für den Brexit befasst, nebenher
aber auch Änderungen des Kreditwesengesetzes wie u.a. auch die Lockerung des Kündigungsschutzes
enthält.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll für sogenannte Risk
Taker bedeutender Institute, deren jährliche fixe Vergütung das Dreifache der
Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (ab 2019: EUR
80.400 – der Schwellenwert läge also bei EUR 241.200) überschreitet, zukünftig
nur noch ein Abfindungskündigungsschutz bestehen.
Arbeitgeber sollen zukünftig für den Fall, dass die
Kündigung des Bankers nach dem KSchG nicht sozial gerechtfertigt ist, einen
Auflösungsantrag stellen können, der keiner besonderen Begründung bedarf. Das
Gericht kann dann ausnahmsweise per Urteil das Arbeitsverhältnis trotz
unwirksamer Kündigung auflösen und die Höhe der Abfindung festsetzen. Derzeit
gibt es diese Regelung bereits allgemein für leitende Angestellte. Jedoch läuft
sie aufgrund der hohen Anforderungen der Gerichte an den Status des leitenden
Angestellten ganz weitestgehend leer und kommt in der Praxis nur äußerst selten
zur Anwendung.
Bei einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers kann das Gericht
die Abfindung nach seinem Ermessen festsetzen. Dabei gilt regelmäßig ein
Maximalbetrag von zwölf Monatsverdiensten, wobei Monatsverdienst „Total
Compensation“ meint und z.B. anteilige Bonuszahlungen sowie Sachleistungen
(Dienstwagen) miteinbezieht. Bei älteren Mitarbeitern mit langer
Betriebszugehörigkeit gelten höhere Grenzen von bis zu 15 oder 18
Monatsverdiensten. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung kann das Gericht
unterschiedliche Gesichtspunkte berücksichtigen wie z.B. Alter des
Arbeitnehmers, Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wirtschaftliche Lage des
Arbeitgebers, das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung.
Es erstaunt, dass die Regierung mit dem Ansinnen aus dem
Koalitionsvertrag Ernst machen möchte, wurde dieses doch in Fachkreisen aufgrund
von Zweifeln an der Vereinbarung mit dem Grundgesetz stark kritisiert. Hintergrund
ist insbesondere der scheinbar willkürlich gewählte Schwellenwert, der nicht
einmal im Einklang mit bereits existierenden regulatorischen Regelungen zu
Risikoträgern steht.
Neben der Frage einer potentiellen Verfassungswidrigkeit ist
es mehr als fraglich, ob das beabsichtigte Ziel erreicht wird, Londoner Banken
nach Deutschland zu locken. Die meisten Institute haben bereits lange darüber
entschieden, wo ihr zukünftiger Hub auf dem Kontinent sein soll. Die Initiative
wird als bei Standortentscheidungen kaum mehr eine Rolle spielen können.
Die Regelung würde auch ohnehin nur einen eng umgrenzten
Personenkreis betreffen, denn die überwiegende Zahl der Institute ist bereits kein
bedeutendes Institut im Sinne des KWG. Darüber hinaus ist der Schwellenwert für
die Fixvergütung hoch, ohne dass aber nach den einschlägigen europarechtlichen
Regelungen ein Mitarbeiter mit einer fixen Vergütung in Höhe von EUR 240.000 überhaupt
zwingend ein Risikoträger sein müsste.
Es stellt sich auch die Frage, ob der Gesetzgeber der
deutschen Finanzindustrie nicht mit dieser Regelung letztlich einen Bärendienst
erweisen würde. Nicht nur ist es ein schwer kalkulierbares Risiko, wie hoch
eine vom Gericht festgesetzte Abfindung wäre – ein Jahresverdienst kann bei
Top-Bankern bereits ein enorm hoher Betrag sein. Außerdem mag es in Deutschland
regulierten bedeutenden Instituten zukünftig schwerer fallen, Top-Banker zu
rekrutieren, wenn diese den regulären Kündigungsschutz verlieren.
Insgesamt ist die Lockerung des Kündigungsschutzes für
Topverdiener sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Das konkrete
Gesetzgebungsvorhaben scheint jedoch rechtlich problematisch und dürfte in der
Praxis jedenfalls nicht das eigentlich beabsichtigte Ziel erreichen, britischen
Banken den Standort Frankfurt schmackhaft zu machen.