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Fußball und Arbeitsrecht – Das Runde und das Eckige?

Mann mit Beinprothese sitzt mit Smartphone

Mit einem Jahr Verspätung hat nun doch endlich die Fußball Europameisterschaft begonnen und mit von der Partie ist wie immer die deutsche Nationalmannschaft. Nach einer zunächst wackligen Vorbereitung, an deren Ende aber ein 7:1 Sieg gegen Lettland mit den alten Bekannten Thomas Müller und Mats Hummels stand, schien eigentlich alles bereitet, um an vergangene Zeiten in Brasilien anzuknüpfen. Das Auftaktmatch gegen Frankreich allerdings war dann doch eine (zu) schwierige Aufgabe – die mitfiebernde Nation hofft auf eine Steigerung “Der Mannschaft” gegen Portugal!

Doch so groß die Freude auch ist und so sehr man um jeden Preis die Spiele mitverfolgen möchte, so sehr dreht sich die Welt außerhalb des Fußball-Ausnahmezustands in ihrer gewohnten Umlaufbahn weiter; mit anderen Worten: Das Bierchen beim Public Viewing und die Bratwurst beim Grillen mit Freunden muss auch irgendwie bezahlt werden. Doch wie passen Fußball-EM und Job zueinander? 

Fragen, ob denn nicht während der EM Sonderurlaub genommen werden kann oder wenigstens das Spiel live bei der Arbeit verfolgt werden darf, sind wieder an der Tagesordnung. Darf man mit den Kollegen auf einen Sieg anstoßen? Was passiert, wenn ich mir mit Ankündigung „‘nen Gelben hole“ und faktisch „blau mache“, um das Spiel verfolgen zu können? Die klassische Juristenantwort, kurz und prägnant: Es kommt darauf an.  

Um etwas Klarheit in die aufkommenden Fragen zu bringen behandeln wir die gängigsten Fragestellungen zu Arbeitsrecht und Fußball-Europameisterschaft kurz und bündig:

I. Urlaub und Freistellung

Wer für die Zeit der EM Urlaub genehmigt bekam, kann sich zurücklehnen und die Spiele genießen. Gewährter Urlaub kann nämlich nur in Ausnahmefällen zurückgenommen werden (BAG vom 20.6.2000, 9 AZR 405/99). Probleme ergeben sich immer dann, wenn die Freistellung kurzfristig erfolgen soll. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers auch bei kurzfristigen Urlaubswünschen zu berücksichtigen. Dies geht aber nur soweit nicht dringende betriebliche Gründe der Urlaubsgewährung entgegenstehen. Es kann bspw. sein, dass schon andere Beschäftigte frühzeitig Urlaub beantragt und gewährt bekommen haben und damit eine Unterbesetzung droht. 

Zu beachten ist außerdem, dass nach § 7 Abs. 2 BUrlG grundsätzlich zusammenhängender Urlaub zu nehmen ist. So soll nach § 7 Abs. 2 BUrlG mindestens ein zusammenhängender Urlaub von zwölf Werktagen im Jahr zu nehmen sein. Die übrigen Urlaubstage können mit Einverständnis des Arbeitnehmers auch in einzelnen Tagen gewährt werden, nicht jedoch stundenweise (BAG vom 29.7.1965 – 5 AZR 380/64). 

Entspricht der Arbeitgeber dem Urlaubswunsch nicht, kann der Urlaubswunsch notfalls mit einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Wichtig zu wissen ist auch, dass Arbeitnehmer kein Recht darauf haben, sich selbst zu beurlauben. Ein eigenmächtiger Urlaubsantritt wird zunächst abgemahnt und kann anschließend eine fristlose Kündigung rechtfertigen. 

Selbstredend sollten gerade in Zeiten der Fußball-EM solche Streitigkeiten vermieden und einvernehmliche Lösungen gefunden werden, um ein ungetrübtes Fußballerlebnis genießen zu können.

II. Anpassung der Arbeitszeit 

Viele Arbeitnehmer haben feste Arbeitszeiten, die aufgrund des Arbeitsvertrags oder einer Kollektivvereinbarung festgelegt sind. Fehlt dies jedoch, kann der Arbeitgeber nach billigem Ermessen die Arbeitszeit festlegen (§ 106 GewO). Die Fußballbegeisterung eines Arbeitnehmers stellt allerdings zum Leidwesen der Fans kein schutzwürdiges zu berücksichtigendes Interesse eines Arbeitnehmers dar, sodass der Arbeitgeber dies bei seiner Festlegung nicht zu berücksichtigen braucht. Auch Arbeitnehmer im Schichtdienst haben keinen Anspruch darauf, die Schicht wegen eines Fußballspiels zu tauschen. Auch in diesen beiden Fällen ist daher an den guten Willen beider Parteien zu appellieren, um allen Beteiligten ein bestmögliches Fußballerlebnis zu ermöglichen. 

Bei flexiblen Arbeitszeiten besteht die Möglichkeit, die Arbeitszeit um die Spiele herumzulegen. Zu beachten ist allerdings, dass auch flexible Arbeitszeitmodelle unterschiedliche Anforderungen an die zu erbringende Arbeitszeit stellen und diese unbedingt beachtet werden müssen.

III. Public Viewing im Büro?

War eine Verlegung der Arbeitszeit nicht möglich oder ist gar ein Urlaubswunsch nicht gewährt worden, stellt sich die Frage nach Mitteln und Wegen, die Spiele am Arbeitsplatz zu verfolgen. Warum denn nicht mit den Kollegen im Büro die Spiele schauen, wenn man ohnehin nicht freibekommen hat?

Im Grundsatz gilt, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit auch seine Arbeitsleistung zu erbringen hat (BAG vom 14.01.1986 – 1 ABR 75/83, NZA 1986, 435). Ohne gesonderte Absprache mit dem Arbeitgeber darf also nicht einfach die Arbeit niedergelegt werden, um mit den Kollegen die Spiele genießen zu können. Auch der Gedanke, dann doch wenigstens „nebenher“ das Spiel laufen zu lassen ist nicht ohne Haken: Der Arbeitnehmer schuldet seine Arbeitsleistung nämlich in fehlerfreier und zügiger Weise. Ein spannendes Spiel aber kann durchaus dazu führen, dass Arbeitnehmer ihre Aufmerksamkeit dann lieber dem Spiel widmen. Die Ablenkung durch das Spiel kann durchaus ein Problem werden, wenn darunter die Qualität der Arbeit leidet. Der Arbeitgeber hat in solchen Fällen die Möglichkeit, eine Abmahnung auszusprechen. Der Grund dafür kann nicht nur die mangelnde Qualität der Arbeitsleistung sein, sondern auch, dass die Nutzung des Internets im Betrieb grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken erlaubt ist. Die Privatnutzung müsste zunächst durch eine gesonderte Vereinbarung erlaubt werden. Ist dies nicht der Fall, stellt die private Nutzung des Internets eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar.

Konkret bedeutet das, dass die Übertragung des Spiels mit Bild und Ton während der Arbeit eine zu starke Ablenkung für einen selbst und die Kollegen darstellt. Eine andere Möglichkeit wäre jedoch, nur den Ton eines Kommentars zum Spiel laufen zu lassen. So kann bspw. das Radio oder aber der Fernseher ohne Bild genutzt werden. Diese Möglichkeit ist denkbar, wenn hierdurch die Arbeitsweise des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht wesentlich beeinflusst wird. Entscheidend ist der Einzelfall: Ob ein Arbeitnehmer durch das Radio abgelenkt wird oder Dritte sich dadurch nicht mehr konzentrieren können, muss für jeden Fall entschieden werden. Ein generelles Verbot seitens des Arbeitgebers ist jedenfalls nicht ohne die Beteiligung des Betriebsrats möglich (BAG vom 14.01.1986 – 1 ABR 75/83, NZA 1986, 435). 

Auch die Verfolgung eines Live-Tickers dürfte zu keinen wesentlichen Ablenkungen führen, sodass dessen Verfolgung grds. zulässig ist. Natürlich gilt auch hier, dass nicht jede Minute der Ticker aufgerufen werden darf, um die Konzentration am Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Schließlich muss der Live-Ticker mit den Regeln zur Internetnutzung im Betrieb vereinbar sein. 

IV. Sieg-Bier und dann zurück ins Büro?

Die deutsche Nationalmannschaft wird wohl hoffentlich noch den ein oder anderen Sieg einfahren. Im Zuge der Euphorie wird natürlich auch gerne gemeinsam angestoßen. Die Frage ist, wie damit umzugehen ist, dass Arbeitnehmer auf der Arbeit Alkohol trinken. Die Antwort: Alles in Maßen. 

Arbeitnehmer sind verpflichtet, sich arbeitstüchtig zu halten. So gilt in Anlehnung an obige Grundsätze zwar kein Alkoholverbot solange die Arbeitsleistung nicht durch den Alkoholkonsum beeinträchtigt ist. In bestimmten Berufszweigen kommt jedoch auch ein sog. absolutes Alkoholverbot in Betracht, etwa bei Piloten oder Ärzten. Diese Berufe bringen derart hohe Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit des Arbeitnehmers mit sich, dass der Konsum von Alkohol nicht ohne eine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung oder Gefährdung der Sicherheit in ihrem Arbeitsbereich möglich ist. 

Arbeitgeber mögen geneigt sein, Kraft des Direktionsrechts ein absolutes Alkoholverbot einführen zu wollen. Jedoch wäre eine solche Maßnahme einerseits durch den Betriebsrat mitzubestimmen und andererseits schwer mit dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers vereinbar. Auch Alkoholkontrollen können nicht ohne Einwilligung des Arbeitnehmers durchgeführt werden.

V. Arbeitsunfähigkeit und Fußball-EM

Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nach § 3 EFZG Entgeltfortzahlung zu leisten hat. Daran ändert auch die Fußball-EM nichts. Jedoch kann es sein, dass sich eine Party nach einem Sieg doch um die ein oder andere Stunde und das ein oder andere Bier länger zieht als ursprünglich geplant. Die Frage ist, wie damit umzugehen ist, dass ein Arbeitnehmer sich aufgrund der langen Nacht am nächsten Tag nicht in der Lage sieht, auf der Arbeit zu erscheinen. 

Für die Entgeltfortzahlungspflicht gilt, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers unverschuldet sein muss. Liegt also der Arbeitnehmer mit einem „Kater“ im Bett, scheidet eine Entgeltfortzahlung aus – vgl. unseren das Münchner Oktoberfest betreffenden Blogbeitrag “Sorry, ich kann heute nicht arbeiten, ich habe einen Kater”. Fälle, in denen der Arbeitnehmer sich „mit Ankündigung“ arbeitsunfähig meldet, um die Spiele sehen zu können, sind ähnlich zu behandeln. Natürlich stellt dies eine Pflichtverletzung dar, die eine Abmahnung und unter Umständen sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigt (BAG vom 12.3.2009 – 2 AZR 251/07, NZA 2009, 779). 

Ist der Arbeitnehmer zu einem Spiel tatsächlich erkrankt, muss er wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht im Bett bleiben. Jedoch darf sich der Arbeitnehmer auch nicht genesungshinderlich verhalten. So kann er bei einem gebrochenen Arm dennoch aus dem Haus gehen, um das Spiel zu sehen, solange er sich dabei nicht noch stärker am Arm verletzt. 

Allerdings hat eine plötzliche Arbeitsunfähigkeit, die am nächsten Tag wieder vorüber ist, durchaus ein sog. „Geschmäckle“. Um dem entgegenzuwirken, kann der Arbeitgeber auch schon ab dem ersten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen, sofern nichts anderes festgelegt ist. Der Arbeitgeber muss eine vorgezeigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst für wahr nehmen, solange keine Indizien vorliegen, die deren Beweiswert entkräften. Das Zusammenfallen von EM-Spielen und Arbeitsunfähigkeit stellt für sich genommen noch kein solches Indiz dar. Wird die Arbeitsunfähigkeit wie im obigen Fall jedoch zuvor angekündigt, liegt hierin ein Indiz, das den Beweiswert entkräften kann.

VI. Fazit

Fußball-EM und Arbeitsrecht lassen sich nicht kompromisslos vereinen. Wo auf der einen Seite der Wunsch nach Ausgelassenheit, gemeinsamer Zeit und Verbundenheitsgefühl herrscht, steht auf der anderen Seite das Interesse des Arbeitgebers, auch in den Wochen des Ausnahmezustands einen funktionierenden Betrieb zu haben, der während und nach der EM keine roten Zahlen schreibt. Um diese Interessen in Einklang zu bringen, werden beide Seiten etwas ab- und zugeben müssen, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Auch wegen des Betriebsfriedens und um diese besondere Zeit nicht mit Scherereien im Betrieb zu überschatten, dürfte eine gemeinschaftliche Lösung jedoch im Sinne aller Beteiligten sein.

Eva Wißler
Eva Wißler

Eva Wißler ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Vergütungs- und Arbeitszeitsysteme sowie auf internationales Arbeitsrecht.

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