„Politikwerkstatt“ zu Herausforderungen und Möglichkeiten hybrider Arbeit
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im Rahmen des Programms ASUG („Arbeit: Sicher und Gesund“) arbeits- und arbeitsschutzrechtliche Empfehlungen zur Gestaltung gesunder hybrider Bildschirmarbeit erarbeitet. In einer Politikwerkstatt wurden zentrale Fragen zur Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten diskutiert. Das BMAS reagiert mit diesen Empfehlungen auf den formulierten Auftrag im Koalitionsvertrag „zur gesunden Gestaltung des Homeoffice im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen zu erarbeiten“.
Hintergrund und Begriffsbestimmungen
Mobiles Arbeiten, Homeoffice und Telearbeit werden in der Praxis oft gleichgesetzt. Obwohl sich der Begriff Telearbeit in der allgemeinverständlichen Bezeichnung kaum durchgesetzt hat, ist dieser als einziger gesetzlich definiert. Für einen Telearbeitsplatz im Sinne der Arbeitsstättenverordnung ist insbesondere erforderlich, dass der Arbeitgeber den Telearbeitsplatz eingerichtet hat. Das ist gemäß § 2 Abs. 7 S. 2 ArbStättV der Fall, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer anderen Vereinbarung festgelegt haben. Zudem ist die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar und Arbeitsmitteln durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitzustellen und zu installieren. Hieran fehlt es in der Praxis häufig, so dass die rechtlichen Vorgaben zu Telearbeit auf die gebräuchlichen „Homeoffice“-Modelle oftmals keine unmittelbare Anwendung finden.
Mobile Arbeit kann nach dem allgemeingebräuchlichen Verständnis hingegen überall stattfinden, unterwegs in der Bahn, im Hotel, an einem anderen Einsatzort oder auch zuhause, jeweils mit mobilen Arbeitsmitteln. Findet die mobile Arbeit zuhause statt, spricht man von Homeoffice. Hybride Bildschirmarbeit bezieht sich auf mobile Arbeit an festen Arbeitsorten wie z.B. dem „Homeoffice“, wobei die Beschäftigten zum Teil auch weiterhin am betrieblichen Arbeitsplatz tätig sind.
Die Unterscheidung zwischen den einzelnen vorstehend genannten Begrifflichkeiten ist wichtig, da sich im Hinblick auf den Arbeitsschutz ein unterschiedliches Schutzniveau in Abhängigkeit von der jeweiligen Arbeitsform ergibt. Anders als für den Bereich der Telearbeit, für die der Gesetzgeber über die ArbStättV die Anforderung des Arbeitsschutzes näher konkretisiert hat, fehlt im Bereich der mobilen Arbeit und des klassischen Homeoffice bislang ein vergleichbares Regelungswerk. Doch auch wenn Arbeit außerhalb der Arbeitsstätte stattfindet, ohne dass Telearbeit im rechtlichen Sinne vorliegt, folgt bereits aus § 618 BGB und den Vorschriften in §§ 3 ff. ArbSchG, dass der gesetzliche Arbeitsschutz weiterhin gilt und somit auch vom Arbeitgeber zu berücksichtigen ist. Insofern besteht auch bei mobiler Arbeit und Homeoffice die arbeitgeberseitige Pflicht, erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen und die Beschäftigungsform so auszugestalten, dass physische und psychische Gesundheitsgefährdungen im Einklang mit § 4 ArbSchG so gut es geht vermieden werden. Relevant sind dabei insbesondere die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung sowie die Ergreifung angemessener Schutzmaßnahmen (§ 5 Abs. 1 ArbSchG), aber auch die ausreichende Unterweisung der Beschäftigten (§ 12 Abs. 1 ArbSchG), jeweils unter Berücksichtigung der sich hier in tatsächlicher Hinsicht ergebenden Besonderheiten der Arbeit außerhalb des Betriebs bzw. der ortwechselnden Arbeitsweise bei mobiler Arbeit.
Empfehlungen und Schlussfolgerungen des BMAS
Mit Blick auf den Arbeitsschutz folgert das BMAS richtigerweise, dass eine Gefährdungsbeurteilung auch für hybride Arbeitsmodelle die Grundlage für sichere, gesunde, motivierende und produktive Arbeitsbedingungen darstellt. Empfohlen wird deshalb die Mitwirkung von Beschäftigten durch das Ausfüllen von Checklisten, um dem Arbeitgeber die Einschätzung der Arbeitsbedingungen im „Mobile Office“ zu erleichtern. So werde der Arbeitgeber in die Lage versetzt die Arbeits- und Umgebungsbedingungen anhand des Einzelfalles zu bewerten und ausgehend hiervon erforderliche Schutzmaßnahmen abzuleiten.
Darüber hinaus sollen die Beschäftigten in geeigneter Weise über ihre Mitwirkungspflichten bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen unterrichtet werden, nicht zuletzt, um sie zu einem eigenverantwortlichen und sich selbst schützenden Umgang mit den Belastungen in einer mobilen Arbeitswelt zu befähigen. Auch bedürfe es der regelmäßigen Überprüfung und bei Bedarf auch der kontinuierlichen Anpassung von Arbeitsschutzmaßnahmen durch den Arbeitgeber, um effektiven Arbeitsschutz auch auf Ebene der hybriden mobilen Arbeit zu gewährleisten.
Ferner empfiehlt das BMAS die Festlegung klarer zeitlicher Rahmenbedingungen für Tätigkeiten außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte, sowie transparente und ausgewogene Regelungen zur Aufteilung der Kosten. Dies schaffe Handlungssicherheit für alle Beteiligten und vermeide Konflikte. Regelungsbedarfe seien dabei insb. zeitliche Rahmenbedingungen, Regelungen zur Aufteilung oder Übernahme der entstehenden Kosten, sowie die Festlegung von Kriterien geeigneter mobiler Bildschirmtätigkeit.
Einordnung und Fazit
Die Empfehlungen des BMAS sind rechtlich nicht bindend, d.h. sie stellen insbesondere keine Anspruchsgrundlage für Arbeitnehmer dar, um beispielsweise gegenüber ihrem Arbeitgeber die Zustimmung zu hybrider Arbeit oder zu Kostenerstattungen geltend zu machen. Die Ausführungen des BMAS bieten Arbeitgebern aber weitere Orientierungspunkte zu den verschiedenen Einwirkungs- bzw. Mitwirkungsbereichen bei hybriden und mobilen Arbeitsformen. Das BMAS betont, dass betriebliche oder tarifliche Regelungen zur Ausgestaltung mobiler Arbeit Handlungssicherheit für die Beteiligten schaffen können, indem geordnete Grundstrukturen zur Verfügung gestellt werden. Ein ausdifferenziertes Regelungssystem trägt dabei zur Handlungssicherheit auf beiden Seiten bei. Zu begrüßen ist, dass auch nach Auffassung des BMAS bürokratische Hürden bei der Einführung mobiler Bildschirmarbeit vermieden werden sollten und etwaige künftige gesetzliche Regelungen ausreichend Raum lassen sollten für betriebliche und tarifvertragliche Lösungen.
Empfehlungen zum Umfang einer erforderlichen Gefährdungsbeurteilung bei Arbeit außerhalb des Betriebs bleiben indes sehr vage. Die Handlungsempfehlungen des BMAS beschränken sich dabei auch nur auf „ortsfeste Arbeitsorte“ wie das eigene Arbeitszimmer und Co-Working Spaces, so dass Handlungs- und Regelungsunsicherheiten insbesondere bei „echter“ mobiler Arbeit mit wechselnden Einsatzorten bestehen bleiben. Arbeitgebern ist auch unter Berücksichtigung der neuen Empfehlungen zu raten, Gefährdungsbeurteilungen anhand der vorhandenen und ggf. zusätzlich – z.B. mittels Checklisten und Fragebögen – ermittelten Informationen zu den Arbeitsbedingungen mit fachkundiger Unterstützung durchzuführen und auf eine regelmäßige Überprüfung und kontinuierliche Verbesserungsprozesse zu achten.