Die Arbeitswelt wird flexibler, digitaler – und in vielen Unternehmen gehört Homeoffice längst zum Alltag. Das gilt aber nicht automatisch für die Arbeit von Betriebsratsmitgliedern. Denn im Gegensatz zu „normalen“ Arbeitnehmer:innen knüpft die Rechtsprechung die örtliche Ausübung der Betriebsratstätigkeit seit Jahrzehnten an strenge Voraussetzungen. Daran hat die fortschreitende Digitalisierung nichts geändert.
Der folgende Überblick zeigt, wie der aktuelle Rechtsstand aussieht, wo sich Öffnungen abzeichnen – und wo nach wie vor deutliche Grenzen bestehen.
1. Der Grundsatz: Betriebsratsarbeit findet im Betrieb statt
Seit dem BAG-Grundsatzurteil von 1989 ist die Linie klar: Betriebsratsmitglieder – ob freigestellt oder nicht – müssen während ihrer Arbeitszeit im Betrieb erreichbar sein, um betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnehmen zu können. Die vollständige oder auch nur die anlassbezogene Freistellung ersetzt lediglich die Arbeitspflicht – nicht die Anwesenheitspflicht. Der generelle Leistungsort verlagert sich mit Annahme des Betriebsratsamtes zum Betriebssitz. Insoweit kommt es zu einer Konkretisierung des Leistungsortes. Das gilt selbst dann, wenn vor Annahme des Betriebsratsamts Tätigkeiten an anderen Orten möglich waren.
2. Gesetzliche Öffnungen? Ja – aber nur punktuell
Selbst während der Corona-Pandemie blieb es beim Grundsatz der Präsenzpflicht. § 129 BetrVG war ausdrücklich befristet. Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde nur § 30 BetrVG für Video-/Telefonkonferenzen geöffnet – aber nicht die allgemeine Betriebsratstätigkeit im Homeoffice. Vielmehr geht § 30 BetrVG nach seinem eindeutigen Wortlaut weiterhin grundsätzlich von Betriebsratssitzungen in Präsenz aus (§ 30 Abs. 1 S. 5 BetrVG). Hier hatten sich viele Arbeitgeber und auch Betriebsratsmitglieder größere Freiheiten erhofft, z.B auch die Möglichkeiten der Durchführung der virtuellen Betriebsversammlungen. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis des technischen Fortschritts und der positiven Erfahrungen in der Corona-Pandemie dennoch im Grundsatz an der Tätigkeit im Betrieb festgehalten. Die nur punktuell vorgenommenen gesetzlichen Änderungen des Gesetzgebers liegen damit weiter auf der Linie der Rechtsprechung, die den Grund für die Anwesenheitspflicht am Sitz des Betriebs vor allem darin sieht, dass der Betriebsrat dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber als Ansprechpartner zur Verfügung stehen muss.
3. Kein Anspruch auf Homeoffice – auch nicht über Betriebsvereinbarungen oder Gleichbehandlung
Betriebsvereinbarungen zu mobilem Arbeiten gelten regelmäßig nicht für Betriebsratstätigkeit. Betriebsratstätigkeit als Ehrenamt ist regelmäßig keine „Arbeit“ im Sinne der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen bzw. der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen (BAG 28.09.2016 – 7 AZR 248/14). Betriebsvereinbarungen zu mobilem Arbeiten wären daher wohl regelmäßig schon gar nicht für Betriebsratstätigkeit anwendbar. Aber auch nach § 78 BetrVG entsteht kein Anspruch auf Homeoffice. Nach dem BAG (BAG 13.06.2007 – 7 ABR 62/02) ändert sich aufgrund der Freistellung von der Arbeitspflicht für Betriebsratstätigkeit für das Betriebsratsmitglied der Leistungsort der Tätigkeit. Die Freistellung befreie das Betriebsratsmitglied zwar von seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, an dessen Stelle trete allerdings die Pflicht, sich am Sitz des Betriebs für dort anfallende Betriebsratsaufgaben bereitzuhalten (BAG, 28.08.1991 – 7 ABR 46/90). Auch ist weder nach § 78 S. 2 BetrVG noch nach §§ 37, 38, 40 BetrVG jedweder „Nachteil“ des einzelnen Betriebsratsmitglieds aus der Betriebsratstätigkeit auszugleichen (BAG 13.06.2007 – 7 ABR 62/02).
4. Können Arbeitgeber und Betriebsrat Homeoffice kollektiv vereinbaren?
Nur sehr eingeschränkt. Käme es zu einer Gewährung von Homeoffice durch den Arbeitgeber, ohne dass eine solche Möglichkeit auch Nichtbetriebsratsmitgliedern ermöglicht wird, läge zweifelsfrei eine Begünstigung vor. Soweit allerdings eine kollektivrechtliche Regelung auch für Nichtbetriebsratsmitglieder zu den Voraussetzungen von Homeoffice besteht, lässt sich zumindest eine anlassbezogene Tätigkeit im Homeoffice begründen. Eine generelle Homeoffice-Regelung scheitert aber regelmäßig an fehlender Erforderlichkeit. Auf Grund der geltenden Rechtsprechung wird sich der Spielraum bei entsprechenden Vereinbarungen stets an einem konkreten Anlass messen lassen müssen. Das BAG verlangt, dass Betriebsratstätigkeit im Betrieb stattzufinden hat und hat unter anderem schon eine telefonische Erreichbarkeit von Betriebsräten ausdrücklich als nicht ausreichend erachtet (BAG 24.02.2016 – 7 ABR 20/14). Die naheliegende Begründung, dass Betriebsräte im Homeoffice für den Arbeitgeber genauso erreichbar sind, verkennt, dass es hierauf gar nicht ausschließlich ankommt. Der Betriebsrat muss auch für alle Arbeitnehmer erreichbar sein, damit diese ihn auf dienstlichem Weg jederzeit kontaktieren können. In Unternehmen, in denen Arbeitnehmer auf Grund der Eigenart ihrer Tätigkeit (z.B. Arbeiter in Werkshallen) weiterhin im Betrieb tätig sein müssen, wird das kaum möglich sein. Es ist daher davon auszugehen, dass eine kollektivrechtliche Vereinbarung zur generellen Ableistung von Betriebsratstätigkeit im Homeoffice oder zu Homeoffice an einzelnen Tagen pro Woche aufgrund der Eigenart der Betriebsratstätigkeit nicht wirksam abgeschlossen werden kann. Denkbar sind hingegen Absprachen mit einzelnen Betriebsräten auf Grund derer konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und eines regelmäßig wiederkehrenden Anlasses (z.B. Vor- und Nachbereitung einer Sitzung durch den Ausschussvorsitz an Tagen der Sitzung).
5. Was bedeutet das für die Praxis?
– Betriebsratstätigkeit bleibt grundsätzlich Präsenzarbeit.
– Homeoffice ist nur möglich, wenn es im Einzelfall erforderlich ist.
– Betriebsvereinbarungen zu Homeoffice gelten regelmäßig nicht für Betriebsräte.
– Ungerechtfertigtes Homeoffice kann gravierende arbeitsrechtliche Konsequenzen haben.
Bis zu anderen gesetzlichen Regelungen oder einer Rechtssprechungsänderung gilt: Betriebsratsarbeit findet im Betrieb statt. Eigenmächtige Homeoffice-Tätigkeit des Betriebsrats kann sogar eine erhebliche Pflichtverletzung des Betriebsratsmitglieds darstellen. Das bestätigt jetzt auch u.a. das Arbeitsgericht Köln (Beschluss vom 08.08.2024 – 6 BV 25/24). Damit wird die strikte Linie des BAG konsequent fortgeführt.
6. Ausblick
Die Rechtslage bleibt konservativ. Betriebsratsarbeit hat demnach grundsätzlich am Betriebssitz zu erfolgen, wobei Ausnahmen hiervon dann möglich sind, wenn die Betriebsratsarbeit dies erforderlich macht. Hierzu bedarf es zumindest einen begründeten Anlass im Einzelfall, der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgesprochen sein sollte. Homeoffice für Betriebsratsmitglieder wird in vielen Fällen sicherlich als wünschenswert angesehen und erscheint in Zeiten voranschreitender Digitalisierung durchaus zeitgemäß. Allerdings sind Arbeitgeber und Betriebsrat – um sich nicht den Vorwurf der Begünstigung auszusetzen – gut beraten, den klaren Vorgaben der Rechtsprechung Beachtung zu schenken.
Näheres zur der Thematik:
Schönhöft/Oelze, Betriebsratstätigkeit im Betrieb – Mobiles Arbeiten für Betriebsräte? NZA 2022, S. 1441
Schönhöft, Betriebsratstätigkeit im Homeoffice zulässig?, ZAU 2023, S. 491.