Viele Arbeitnehmervertreter sind zugleich Mitglied des Aufsichtsrats. Doch dürfen sie dafür während der Arbeitszeit freigestellt werden – und behalten ihren Vergütungsanspruch? Die Antwort ist komplexer, als viele glauben. Eine entgeltliche Freistellung kann schnell zum Compliance-Risiko werden.
1. Zwei Rollen – zwei Rechtsverhältnisse
Die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ist ein eigenständiges Rechtsverhältnis, das rechtlich vom Arbeitsverhältnis zu trennen ist. Pflichten aus dem Arbeitsvertrag und aus dem Aufsichtsratsamt bestehen nebeneinander, dürfen aber nicht vermischt werden.
Die Aufsichtsratstätigkeit ist keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitsvertrages.
Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss Beschäftigte für Aufsichtsratssitzungen unbezahlt freistellen, ist aber nicht verpflichtet, das Entgelt fortzuzahlen oder Zeiten gutzuschreiben.
2. Kein Anspruch auf bezahlte Freistellung
Ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nicht. § 26 Satz 1 MitbestG schützt zwar vor Benachteiligung aufgrund der Aufsichtsratsmitgliedschaft – er begründet aber keinen Anspruch auf Vergütung. Auch § 37 Abs. 2 BetrVG, der für Betriebsratstätigkeit eine Entgeltfortzahlung vorsieht, ist nicht analog anwendbar. Das Aufsichtsratsmandat ist eine gesellschaftsrechtliche Funktion, keine betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe.
3. Freiwillige Zahlungen: rechtliches Risiko
Manche Unternehmen zahlen dennoch freiwillig das Gehalt weiter. Doch Vorsicht: Eine solche Praxis kann gegen das Begünstigungsverbot (§ 9 DrittelbG, § 78 Satz 2 BetrVG) verstoßen – insbesondere, wenn das Aufsichtsratsmitglied zugleich Betriebsrat ist.
Eine Entgeltfortzahlung für eine Tätigkeit außerhalb des Arbeitsverhältnisses ist regelmäßig nicht zulässig.
Sie kann den Anschein einer unzulässigen Begünstigung erwecken und im Extremfall sogar strafrechtlich relevant sein.
4. Betriebsräte im Aufsichtsrat
Betriebsratsmitglieder sind häufig zugleich Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Doch auch für sie gilt: Die Aufsichtsratstätigkeit gehört nicht zur Betriebsratsarbeit. Beide Ämter müssen zeitlich und rechtlich getrennt bleiben. Eine „pauschale“ Bezahlung der Aufsichtsratstätigkeit über das Gehalt wäre ein klarer Verstoß gegen das Begünstigungsverbot.
5. Vergütung über das Aufsichtsratsmandat
Die finanzielle Kompensation erfolgt nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch das Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat das Mitglied tätig ist (§ 26 Satz 2 MitbestG). Diese Vergütung gilt als selbständige Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 15 Abs. 1 SGB IV) – also ohne Sozialversicherungspflicht. Nur wenn die Aufsichtsratsvergütung nicht ausreicht, um den Verdienstausfall auszugleichen, kann in Ausnahmefällen ein ergänzender Anspruch bestehen.
6. Fazit
Die Aufsichtsratstätigkeit ist keine Arbeitszeit. Arbeitnehmervertreter haben nur Anspruch auf unbezahlte Freistellung, nicht aber auf Entgeltfortzahlung. Unternehmen sollten klare Compliance-Regeln schaffen, um Verstöße gegen das Begünstigungsverbot zu vermeiden. Ein angemessener Ausgleich erfolgt ausschließlich über die Aufsichtsratsvergütung, nicht über das Arbeitsverhältnis.
Zur Vertiefung sei auf meinen Beitrag “Compliance-Check: Ist die Tätigkeit als Aufsichtsrat von Betriebsräten Arbeitszeit?” in der ZAU (Zeitschrift für Arbeitsrecht in Unternehmen) vom 20.10.2025 verwiesen.