Die Kurzarbeit ist während der Pandemie weiter präsent. Die Situation am Arbeitsmarkt hat sich, wie auch die pandemische Lage insgesamt, im Sommer noch entspannt. Mitten in der vierten Welle und mit bereits lokal beschlossenen Lockdowns gewinnt die Kurzarbeit wieder stärker an Bedeutung. Dies nicht nur für Unternehmen, die aufgrund der Chipkrise ohnehin bereits erneut oder weiterhin auf die staatliche Förderung angewiesen sind.
In dieser für viele Unternehmen erneut sehr schwierigen Phase ist es erfreulich, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) – wie erwartet – im Verfahren 9 AZR 225/21 am 30.11.2021 die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf vom 12. März 2021 zur Kürzung des Urlaubsanspruchs für Zeiträume der Kurzarbeit Null bestätigt hat, über die wir in unserem Blog berichtet haben. Das richtungsweisende Urteil geht aber wohl über die Entscheidung des LAG Düsseldorf sogar hinaus.
BAG vom 30. November 2021 – Die Entscheidungsgrundlage
Die Klägerin ist als Verkaufshilfe für Backwaren in Teilzeit im Rahmen einer Dreitagewoche tätig. Ihr steht dabei ein Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen pro Kalenderjahr zu.
Aufgrund der Pandemie war die Klägerin in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 in Kurzarbeit Null. Auch während der Monate November und Dezember 2020 war die Klägerin weitgehend in Kurzarbeit und in diesem Zeitraum nur an fünf Arbeitstagen tätig.
Im August und September 2020 wurden der Klägerin insgesamt 11,5 Urlaubstage gewährt, bevor die Arbeitgeberin aufgrund der Kurzarbeit unterjährig eine Neuberechnung des Urlaubs vornahm. Diese ergab, dass der Klägerin im Kalenderjahr 2020 weniger Urlaubstage zustanden, als ihr bereits gewährt worden waren.
Die Klägerin hat die Neuberechnung des Urlaubsanspruchs durch die Arbeitgeberin angegriffen und geltend gemacht, dass ihr auch trotz der Kurzarbeit weiterhin 14 Tage Urlaub zustehen und damit 2,5 Urlaubstage verbleiben. Sie hat den Standpunkt vertreten, dass die kurzarbeitsbedingt ausgefallenen Arbeitstage urlaubsrechtlich wie Arbeitstage zu werten seien. Die Arbeitgeberin argumentierte dagegen, dass Kurzarbeit mit Teilzeit vergleichbar sei und Urlaubsansprüche während der Kurzarbeit nur für Tage der Arbeitspflicht entstehen.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht Essen und das LAG Düsseldorf sind der Argumentation der Arbeitgeberin gefolgt. Dabei hat sich das LAG Düsseldorf bereits an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsanspruch bei sog. unregelmäßiger Teilzeit orientiert, nach welcher ein Urlaubsanspruch nur an Tagen mit Arbeitspflicht entsteht. Im Ergebnis hat das LAG Düsseldorf – leider – nur auf die Monate mit Kurzarbeit Null abgestellt und entschieden, dass jedenfalls für Monate mit Kurzarbeit Null kein Urlaubsanspruch entsteht.
Die Entscheidung des BAG – Urlaub entsteht während der Kurzarbeit nur anteilig
Das BAG bestätigt die Entscheidung des LAG Düsseldorf. Aus der Pressemitteilung ergibt sich, dass die aufgrund von Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitstage weder nach nationalem noch europäischem Recht mit Tagen der Arbeitspflicht gleichzustellen sind. Daher seien diese Tage nach Auffassung des Gerichts bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht zu berücksichtigen. Das gilt sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub als auch für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Parteien nichts Abweichendes vereinbaren.
Diese Ausführungen deuten darauf hin, dass das BAG über die Entscheidung des LAG Düsseldorf hinaus davon ausgeht, dass nicht nur in vollen Monaten ohne Arbeitspflicht (Kurzarbeit Null) kein Urlaubsanspruch entsteht, sondern auch an einzelnen Kurzarbeitstagen innerhalb eines Monats.
Im Ergebnis stellt jedoch auch das BAG in seiner Pressemitteilung darauf ab, dass der Klägerin bereits bei Reduzierung des Urlaubsanspruchs um die vollen Monate der Kurzarbeit kein weiterer Urlaubsanspruch zusteht.
Es bleibt abzuwarten, ob das BAG in den Entscheidungsgründen explizit klarstellt, dass der Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit auch in Monaten mit partieller Kurzarbeit lediglich anteilig entsteht. Wir werden die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe im Auge behalten und Sie darüber auf dem Laufenden halten.
Fazit
Die Entscheidung des BAG gibt jedenfalls für Monate mit Kurzarbeit Null die gewünschte Rechtssicherheit. Aus der Begründung der Pressemitteilung geht unseres Erachtens, wie auch bereits aus den Ansätzen des LAG Düsseldorf, hervor, dass dies für sämtliche Arbeitstage gelten muss, an denen aufgrund von Kurzarbeit überhaupt keine Arbeitsleistung erbracht wird. An solchen Arbeitstagen entsteht bereits kein Urlaubsanspruch, sodass die unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs keine vertragliche Vereinbarung zu einer Kürzung des Urlaubsanspruchs voraussetzt.
Damit würde das BAG seine Rechtsprechung der vergangenen Jahre konsequent fortsetzen, in denen es bereits entschieden hatte, dass mangels Arbeitspflicht etwa während unbezahlter Sonderurlaubstage (BAG vom 19. März 2019 – 9 AZR 406/17) oder in der Freistellungsphase bei Altersteilzeit im Blockmodell (BAG vom 3. Dezember 2019 – 9 AZR 33/19) keine Urlaubsansprüche entstehen. Ob die Unternehmen von der Kürzungsmöglichkeit in der Praxis tatsächlich Gebrauch machen oder möglicherweise doch eine andere Lösung für ihre Mitarbeiter:innen finden werden, wird sich zeigen. Zumindest sind die rechtlichen Rahmenbedingungen nunmehr geklärt.