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Arbeitsschutz mit Meike Christine Rehner – Aktuelle Änderungen des Mutterschutzgesetzes 

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Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) verpflichtet Arbeitgeber bisher für jede Tätigkeit zu einer anlassunabhängigen mutterschutzspezifischen Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz soll der „Bürokratie-Burnout“ in Deutschland bekämpft werden. Punktuell wurde zu diesem Zweck mit Wirkung zum 1. Januar 2025 in § 10 Abs. 1 Satz 3 MuSchG die Möglichkeit geschaffen, die anlassunabhängige mutterschutzspezifische Gefährdungsbeurteilung unter bestimmten Voraussetzungen entfallen zu lassen.

Zudem hat der Bundestag kurz vor Ende der vergangenen Wahlperiode Mutterschutzfristen für Frauen nach einer Fehlgeburt auf den Weg gebracht. Ab dem 1. Juni 2025 gilt nunmehr ein gestaffelter Mutterschutz bei einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche.

Wir fassen nachstehend die jüngsten Veränderungen im MuSchG zusammen und geben Hinweise für den praktischen Umgang mit der neuen Rechtslage:

I. Anlassunabhängige mutterschutzspezifische Gefährdungsbeurteilung

Arbeitgeber sind nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MuSchG verpflichtet, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG jede Tätigkeit auf Gefahren für schwangere oder stillende Frauen sowie ihre (ungeborenen) Kinder hin zu untersuchen (hierzu unser Blogbeitrag). Diese Verpflichtung ist anlassunabhängig und der Arbeitgeber muss festlegen, ob im Fall einer Schwangerschaft oder Stillzeit

  • keine Schutzmaßnahmen notwendig sind,
  • eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen erforderlich ist oder
  • die betroffene Frau an dem Arbeitsplatz nicht mehr arbeiten darf.

Der Arbeitgeber ist zu einer entsprechenden Beurteilung der Gefahren auch verpflichtet, wenn die Tätigkeit nicht von Frauen ausgeführt wird oder der Arbeitgeber gar keine Frauen beschäftigt. Ziel einer solch anlassunabhängigen mutterschutzrechtlichen Gefährdungsbeurteilung ist es, bereits im Vorfeld die auftretenden Gefährdungen für Frauen und ihre Kinder zu beurteilen und erforderliche Maßnahmen abzuleiten. Es soll sichergestellt werden, dass bei Meldung einer Schwangerschaft oder eines Stillwunsches zeitnah Schutzmaßnahmen angewendet werden können. Der Arbeitgeber ist mithin nicht lediglich verpflichtet, erst bei Mitteilung einer Schwangerschaft anlassbezogen eine Gefährdungsbeurteilung der konkreten Arbeitsbedingungen unter mutterschutzrechtlichen Aspekten durchzuführen, sondern bereits vorab abstrakt für jede im Betrieb ausgeübte Tätigkeit.

II. “Entbürokratisierung“ erfordert Initiative des Ausschusses für Mutterschutz

Die Neuregelung in § 10 Abs. 1 Satz 3 MuSchG eröffnet nunmehr für den im Jahr 2018 vom Bundesfamilienministerium eingerichteten Ausschuss für Mutterschutz (AfMu) die Möglichkeit, eine Regel aufzustellen, wonach eine konkrete Tätigkeit nicht von einer schwangeren oder stillenden Frau ausgeübt werden kann oder die Frau einer Arbeitsbedingung nicht ausgesetzt werden darf. Eine anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung durch den einzelnen Arbeitgeber wird in diesem Fall überflüssig, vielmehr muss dann im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG lediglich dokumentiert werden, dass es sich um eine Tätigkeit nach § 10 Abs. 1 Satz 3 MuSchG handelt. Entsprechende Regeln des Ausschusses für Mutterschutz werden im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht, worauf regelmäßig auf der Homepage des Ausschusses für Mutterschutz hingewiesen wird.

Es ist allerdings (leider) anzunehmen, dass der angestrebte Bürokratieabbau durch die Neuregelung nur in geringem Maße erfolgen wird. Denn der Ausschuss für Mutterschutz stellt entsprechende Regeln, die eine Tätigkeit bzw. bestimmte Arbeitsbedingungen benennen, die eine schwangere oder stillende Frau nicht ausüben bzw. ihnen nicht ausgesetzt sein darf, bisher – Stand Mai 2025 – nur zurückhaltend auf. Lediglich die AfMu-Regel Nummer 11.1.01 legt nunmehr fest, dass schwangere Frauen bestimmte Tätigkeiten mit Narkosegasen nicht ausüben dürfen. Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass die jährliche Gesamtentlastung der Wirtschaft lediglich EUR 236.000 betragen wird. Die Gesetzesänderung wird daher voraussichtlich nur einen kleinen, eher punktuellen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten. Für Arbeitgeber bleibt es somit im Regelfall dabei, dass jede im Betrieb ausgeübte Tätigkeit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG auch nach den Vorgaben des § 10 Abs. 1 MuSchG abstrakt zu beurteilen ist; unabhängig davon, ob die konkrete Tätigkeit im Betrieb durch Frauen ausgeübt wird. 

III. Mutterschutzrechtlicher Regelungsbedarf bei Fehlgeburten

Das Mutterschutzgesetz knüpft bisher für ein Beschäftigungsverbot für Frauen an eine „Entbindung“ im Sinne von § 3 MuSchG an, ohne diesen Begriff zu definieren. Die Arbeitsgerichte haben bislang zur erforderlichen Abgrenzung einer „Entbindung“ von einer „Fehlgeburt“ § 31 Abs. 2 Personenstandverordnung herangezogen. Demnach liegt eine Fehlgeburt vor – die grundsätzlich keine nachgeburtliche Schutzfrist zugunsten der Schwangeren auslöst – wenn die Leibesfrucht keine Lebenszeichen aufwies, ihr Gewicht unter 500 Gramm liegt und die 24. Schwangerschaftswoche nicht erreicht wurde. Nach einer Fehlgeburt konnte eine Frau nach bisheriger Rechtslage lediglich Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei Bestehen von Arbeitsunfähigkeit erhalten. Eine Verfassungsbeschwerde von Schwangeren, die zwischen der 12. und 24. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt mit einem weniger als 500 Gramm schweren Kind erlitten hatten, wurde kürzlich als unzulässig nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 21. August 2024, 1 BvR 2106/22).

IV. Gestaffelte Schutzfristen ab Juni 2025

Angesichts der auch bei einer Fehlgeburt gegebenen körperlichen und psychischen Belastungen für Schwangere, hat sich der Gesetzgeber dieser Thematik nunmehr angenommen. Ab dem 1. Juni 2025 gelten für Schwangere gestaffelte Schutzfristen nach einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche:

  • Bei einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche: 2 Wochen Mutterschutz
  • Bei einer Fehlgeburt ab der 17. Schwangerschaftswoche: 6 Wochen Mutterschutz
  • Bei einer Fehlgeburt ab der 20. Schwangerschaftswoche: 8 Wochen Mutterschutz

Frauen dürfen somit zukünftig auch während dieser Schutzfristen nicht beschäftigt werden, es sei denn, sie haben ausdrücklich erklärt, weiterarbeiten zu wollen. Eine solche Erklärung darf jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, mit der Folge, dass die Beschäftigung für die verbleibende Dauer der Schutzfrist zu unterbleiben hat. Während der Schutzfrist haben die Frauen nunmehr auch einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 19 MuSchG. Arbeitgeber können sich entsprechende Kosten über das U2-Umlageverfahren erstatten lassen. Ein ergänzendes Kündigungsverbot für vier Monate im Fall einer Fehlgeburt nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 MuSchG bestand bereits seit dem Jahr 2018. 

Die ausschließliche Anknüpfung der Neuregelung an die Schwangerschaftswoche ist zu begrüßen, denn sie schafft Rechtsklarheit und erleichtert den Betroffenen den Nachweis der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen. Arbeitgeber müssen nun, wenn sie durch eine Arbeitnehmerin über eine Fehlgeburt nach der 13. Schwangerschaftswoche informiert werden, neben dem Kündigungsverbot auch die zeitlich gestaffelten Mutterschutzfristen beachten. Sofern Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern intern Policies oder ähnliches zum Thema Mutterschutz bereitstellen, sind diese entsprechend zu überarbeiten.

Meike Christine Rehner

Meike Christine Rehner ist spezialisiert auf internationales und europäisches Arbeitsrecht, Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsrecht, Unternehmensrestrukturierungen und Kündigungsrechtsstreitigkeiten.

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