Von
einer Pandemie ist die Rede, wenn eine Erkrankung örtlich unbegrenzt ausbricht,
also potenziell sogar über Kontinente hinweg auftreten kann. Der Ausbruch einer
Pandemie hat durchaus realen Charakter. Wir erinnern uns noch gut an
Schweinegrippe, SARS und Vogelgrippe. In diesem noch jungen Jahrzehnt hat nun das
neuartige Coronavirus (2019-nCOV), das inzwischen auch in verschiedenen Ländern
außerhalb Chinas aufgetreten ist, die mediale Berichterstattung fest im Griff.
Arbeitsrechtlich
stellen sich angesichts des sich ausbreitenden Virus verschiedene
praxisrelevante Fragen, die wir in unserem Beitrag beantworten möchten:
Darf der
Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben, obwohl er selbst nicht erkrankt ist?
Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers in Fällen einer Pandemie gibt es nicht. Es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers, auf der Fahrt zum Arbeitsplatz oder durch Kontakt zu Kollegen und Kunden einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt zu sein. Einfach auf der Arbeit nicht zu erscheinen ist arbeitsrechtlich also keine Option, sondern stellt vielmehr eine Arbeitsverweigerung dar, die eine Abmahnung und unter Umständen sogar eine Kündigung zur Folge haben kann.
Darf der
Arbeitnehmer eine Dienstreise nach China verweigern?
Grundsätzlich
sind Arbeitnehmer verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Dies kann
auch im Falle einer Pandemie Dienstreisen ins Ausland beinhalten. Ein
Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers besteht erst bei einer offiziellen
Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Im Falle der Reisewarnung ist die
Erbringung der Arbeitsleistung nämlich mit erheblichen Gefahren für Leben oder
Gesundheit verbunden, die die Grenze der Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 3 BGB
überschreitet.
Die Grenze der Zumutbarkeit ist indes noch nicht automatisch überschritten, wenn die Dienstreise in eine Region erfolgen soll, für die lediglich ein Sicherheitshinweis (à la „Verschieben Sie nach Möglichkeit nicht notwendige Reisen“) vorliegt.
In
diesen Fällen hängt die Unzumutbarkeit einer Dienstreise von einer Abwägung der
Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ab. Die Abwägung wird allerdings ohne
das Hinzutreten besonderer Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers liegen
– wie z.B. die körperliche Verfassung -, nur auf Basis der Sicherheitshinweise
des Auswärtigen Amtes regelmäßig nicht zu einer Unzumutbarkeit führen.
Andernfalls würde dem Arbeitgeber angesichts der Vielzahl an Reiseländern mit
Sicherheitshinweisen faktisch die Möglichkeit genommen, Dienstreisen anzuordnen
und sein Weisungsrecht vollumfänglich zu nutzen.
Eine
Reisewarnung gilt seit Ende Januar zumindest für Teile Chinas – die Millionenstadt
Wuhan und die Provinz Hubei. Dort werden das Ansteckungsrisiko und das
Gesundheitsrisiko derzeit als hoch eingeschätzt. Für die übrigen Teile Chinas
gilt lediglich ein Sicherheitshinweis. Eine Reise nach Peking oder Shanghai könnte
der Arbeitgeber also durchaus anordnen.
Muss ein erkrankter
Mitarbeiter den Arbeitgeber informieren?
Auf
betrieblicher Ebene treten dann Probleme auf, wenn Arbeitnehmer aus gefährdeten
Regionen nach Deutschland zurückkehren, sei es von Auslandseinsätzen oder sei
es schlicht aus dem Urlaub.
Grundsätzlich
haben Arbeitnehmer keine Pflicht, den Arbeitgeber über die Art einer
Erkrankung zu informieren. Ausnahmsweise besteht eine solche Informationspflicht
jedoch, wenn der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes Interesse hat. Dies
betrifft ansteckende Erkrankungen, die Maßnahmen zum Schutz der anderen
Mitarbeiter erforderlich machen. Es ist also davon auszugehen, dass ein
erkrankter Arbeitnehmer den Arbeitgeber über eine Erkrankung mit dem
Coronavirus informieren sollte, wenn potentiell andere Mitarbeiter durch diese
Erkrankung gefährdet sind.
Muss der
Arbeitgeber den Rest der Belegschaft aufklären, wenn es einen Fall im Betrieb
gab?
Der
Arbeitgeber kann unter bestimmten Voraussetzungen gehalten sein, seine
Mitarbeiter über das bestehende Infektions- und Erkrankungsrisiko aufzuklären
und über Vorsorgemaßnahmen und angezeigtes Verhalten zu informieren. Das gilt
jedenfalls dann, wenn er Kenntnis von der Erkrankung eines Mitarbeiters oder
jedenfalls konkrete Hinweise auf Infektionsrisiken im Betrieb besitzt.
Unterlässt der Arbeitgeber dann eine aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht
(§ 241 II BGB) und der besonderen Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) herzuleitende
Aufklärung, kann er sich schadensersatzpflichtig machen, wenn andere
Mitarbeiter deswegen erkranken.
Was passiert mit dem
Vergütungsanspruch des heimgekehrten, potenziell infizierten Arbeitnehmers?
Bei Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers infolge ausgebrochener Krankheit folgt der Entgeltfortzahlungsanspruch aus dem EFZG. Dies gilt auch in Fällen einer Pandemie. Bei nachgewiesener, akuter Ansteckungsgefahr für Dritte ist die Lage insofern eindeutig, als dass der Arbeitnehmer in jedem Fall seinen Vergütungsanspruch trotz Nichterbringung der geschuldeten Arbeitsleistung behält.
Aber auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer zwar aufgrund seines Gesundheitszustandes die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen könnte – sprich er kaum oder keine Symptome hat -, dies jedoch wegen der bestehenden Ansteckungsgefahr für Dritte unzumutbar ist, steht dem Arbeitnehmer ein Vergütungsanspruch zu. Der Zahlungsanspruch wird auf § 3 EFZG bzw. auf § 616 BGB gestützt. Die Differenzierung zwischen den beiden Normen erfolgt danach, ob eine Erkrankung des Arbeitnehmers vorliegt, auch wenn sie für sich genommen nicht zur Arbeitsunfähigkeit führt oder aber nur eine Ansteckungsgefahr für Dritte ohne Krankheitsanzeichen.
Ebenfalls denkbar: Der Arbeitnehmer kehrt ohne Krankheitssymptome aber mit potentieller Ansteckungsgefahr aus einem gefährdeten Gebiet zurück. Auch dann ergibt sich der Vergütungsanspruch aus § 616 BGB, ebenfalls wegen Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung. Hier könnte man aber erwägen, dem Arbeitnehmer, wenn möglich, eine vorübergehende Tätigkeit im Home Office anzubieten, um Risiken für andere zu minimieren.
Was kann der
Arbeitgeber im Falle einer Pandemie tun?
Der
Arbeitgeber trägt in Fällen einer Pandemie und einer massenweisen Erkrankung
der Belegschaft grundsätzlich das sogenannte Betriebsrisiko. Das heißt: Kann
der Arbeitgeber den Betrieb nicht mehr aufrechterhalten und insofern auch die
gesunden und arbeitswilligen Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen, bleibt die
Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers bestehen.
Kann
der Arbeitgeber seinen Betrieb nicht mehr oder nur noch eingeschränkt
aufrechterhalten, empfiehlt es sich zunächst, aufgelaufene Überstunden
abzubauen, die Gewährung von Urlaub oder – bei Vorliegen der Voraussetzungen –
Kurzarbeit anzuordnen.
Aber
auch im umgekehrten Fall gilt: Der Arbeitgeber kann die gesunden, noch im
Betrieb tätigen Arbeitnehmer im Rahmen ihrer allgemeinen Treuepflicht zur
Ableistung von Mehrarbeit verpflichten, um die wirtschaftlichen Folgen für den
Betrieb abzumildern und um insbesondere ein Projekt oder einen Auftrag
termingerecht und ordnungsgemäß erfüllen zu können. Der durch eine Pandemie
bedingte Ausfall vieler Mitarbeiter stellt für den Arbeitgeber also einen
unverschuldeten und unvorhersehbaren Notfall dar.
Der
Arbeitgeber ist im Übrigen berechtigt, infizierte oder erkrankte Arbeitnehmer einseitig
von der Arbeitsleistung freizustellen, um die übrige Belegschaft vor einer
Ansteckung zu schützen. Dies gilt auch bei dem bloßen Verdacht einer Infektion
oder Erkrankung. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall keinen Anspruch auf
Weiterbeschäftigung, vielmehr tritt der Beschäftigungsanspruch des
Arbeitnehmers gegenüber dem Gesundheitsschutz der Belegschaft zurück. Der Anspruch
des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung bleibt indes bestehen.
Das
Unternehmen Webasto, in dem sich deutsche Arbeitnehmer bei einer chinesischen
Besucherin angesteckt haben, hat zum Beispiel als Reaktion auf die
Infizierungen in seiner Belegschaft den Betrieb geschlossen und angeboten, dass
Mitarbeiter aus dem Home-Office arbeiten können.
Fazit
Besondere arbeitsrechtliche Regelungen für eine Pandemie gibt es nicht. Vielmehr richten sich die Befugnisse des Arbeitgebers nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass das Coronavirus bald nicht mehr das Tagesgeschehen beherrscht.
Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Beitrag. Informationen vom Arbeitsrecht Anwalt sind dann doch immer besser, als sich nur auf allgemeines Gerede zu verlassen.