Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens finden häufig Veräußerungen durch das insolvente Unternehmen statt, sei es, dass nur einzelne Gegenstände veräußert werden oder auch komplette Teilbereiche. Das Interesse ist klar: entweder soll versilbert werden, was noch Geld bringt oder die Maßnahmen sind Teil eines Sanierungskonzepts zur Fortführung des Unternehmens. Für andere Unternehmen kann der Erwerb aus der Insolvenz wiederum interessant sein, aus strategischen Gründen oder aufgrund der preislichen Attraktivität. Dabei kann es schnell auch unbemerkt oder unbeabsichtigt zu einem Teilbetriebsübergang kommen – was für „Schnäppchenjäger“ unerwünschte und überraschende Konsequenzen hätte.
Nach der ständigen Rechtsprechung gelten die Regeln über den Betriebsübergang auch im Insolvenzszenario. Der gesetzgeberische Wille, die Vorschriften des § 613a BGB auch in der Insolvenz anzuwenden, ergibt sich aus § 128 Abs. 2 InsO. Die Anwendbarkeit von § 613a BGB gilt zwar nicht uneingeschränkt; soweit es aber um den Schutz von Arbeitsplätzen und die Kontinuität des Betriebsrats geht, ist nach der ständigen Rechtsprechung eine uneingeschränkte Anwendbarkeit gegeben. Ausgehend von diesem Grundsatz kann es in der Insolvenz sowohl beim Erwerb von funktionalen Teilbereichen aber auch beim Erwerb von maßgeblichen Betriebsmitteln oder der Übernahme eines Kundenstamms zum Betriebsübergang mit der Folge kommen, dass ggf. auch unbeabsichtigt, Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen. Dies setzt insoweit keine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung voraus. Der Übergang kann kraft Gesetzes durch eine tatsächliche Übernahme von Betriebsmitteln und deren Nutzung erfolgen. Der Kauf eines einzelnen Wirtschaftsgutes, z.B. einer einzelnen Maschine, wird in der Regel keinen Betriebsübergang auslösen können. Wird aber eine organsierte Gesamtheit übertragen, besteht eine funktionelle Verknüpfung von Produktionsfaktoren und wird sie weitergenutzt, führt dies dazu, dass neben den Wirtschaftsgütern die diesem Bereich zugeordneten Arbeitnehmer*innen kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen; ist dies der Fall, übernimmt der Erwerber – sogar ohne dass es dazu einer Vereinbarung bedarf – alle Rechte und Pflichten aus diesen Arbeitsverhältnissen.
Eine Ausnahme gilt in der Insolvenz nur bezüglich der Haftungsverteilung: da der Erwerber im Falle eines Betriebsübergangs in alle Rechte und Pflichten aus dem übergegangenen Arbeitsverhältnis eintritt, haftet er nach § 613a Abs. 2 BGB außerhalb der Insolvenzsituation für alle Forderungen des Arbeitnehmers aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Dies ist im Falle der Insolvenz des bisherigen Arbeitgebers anders. Denn für diesen Fall hat die Rechtsprechung eine Haftungsbegrenzung entwickelt. Als neuer Arbeitgeber haftet der Betriebsübernehmer nur für Forderungen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind (sog. „Masseforderungen“). Diese Haftung umfasst z.B. vertragliche Lohnansprüche, die aus der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern nach Insolvenzeröffnung erwachsen und gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO vorab aus der Masse zu erfüllen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG haftet der Erwerber aber nicht für solche Ansprüche, die zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits entstandenen waren; denn für die Abwicklung dieser Forderungen (sog. Insolvenzforderungen) gelten die speziellen, vom Grundsatz gleichmäßiger Befriedigung beherrschten Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts. Alle Insolvenzgläubiger einschließlich der Beschäftigten, müssen gleichmäßig befriedigt werden. Würde der Betriebserwerber aber für Forderungen haften, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind, wird das typischerweise den Kaufpreis reduzieren. Das wiederum würde zu einer Verschiebung führen, denn die Beschäftigten würden über ihren neuen Arbeitgeber die volle Erfüllung ihrer Forderungen erhalten, während die restlichen Gläubiger durch die entsprechende Reduzierung der Kaufpreisforderung entsprechen weniger Volumen zu verteilen hätten.
Zusammenfassend ist also auch bei dem Erwerb aus der Insolvenz sorgfältig zu prüfen, ob der Erwerb aus der Masse einen Betriebsübergang auslöst und welche Konsequenzen dies für den Erwerber konkret hat, um unbedachte Überraschungen nach der Schnäppchenjagd zu vermeiden.