Gerichtsverfahren sind von den Prinzipien der Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und Mündlichkeit geprägt. Ausdruck finden diese Prinzipien in einer mündlichen Verhandlung, bei der alle am Verfahren Beteiligten sowie die Öffentlichkeit in einem Gerichtssaal zusammenfinden.
Die Rechtspflege steht derzeit allerdings weitestgehend still: Der Sitzungsbetrieb der Justiz ist mit Ausnahme von dringenden Verfahren aufgrund der COVID-19-Epidemie fast vollständig eingestellt. Gleichwohl ist die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege auch in Zeiten einer Epidemie vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich verankerten Rechtsschutzgarantie zu gewährleisten.
Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat reagiert und einen Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) und weiterer Gesetze zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit während der COVID-19-Epidemie vorgelegt.
Konkret wird insbesondere Folgendes vorgeschlagen:
Einführung eines neuen § 114 ArbGG, der vorsieht, dass ehrenamtliche Richter, Parteien, ihre Bevollmächtigten und Beistände sowie Zeugen und Sachverständige nunmehr – vorbehaltlich des Vorliegens einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite – an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus teilnehmen können. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton auch an diesen Ort übertragen, sprich: die Verhandlung findet per Videokonferenz statt.
Im Falle der ehrenamtlichen Richter sollen darüberhinaus auch die Beratung und Abstimmung virtuell stattfinden, wobei durch organisatorische Maßnahmen die Wahrung des Beratungsgeheimnisses sicherzustellen ist.
Gegen die Anordnung einer virtuellen mündlichen Verhandlung ist die sofortige Beschwerde innerhalb einer Frist von einer Woche möglich.
- Verhandlung ohne Publikum
Daneben können Arbeitsgerichte abweichend von § 52 ArbGG die Öffentlichkeit gänzlich für die Verhandlung ausschließen. Ziel ist es, die Anzahl der im Gerichtssaal anwesenden Personen und damit das Ansteckungsrisiko zu verringern.
- Verfahrensänderungen bei LAG und BAG
Die Landesarbeitsgerichte können auf die öffentliche Entscheidungsverkündung verzichten und diese durch Zustellung des Urteils ersetzen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Parteien der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben. Das BAG kann nach vorheriger Anhörung auch ohne Zustimmung der Parteien eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen und die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzen. Begründet wird Letzteres insbesondere damit, dass das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung vor dem BAG im Vergleich zu den vorherigen Instanzen geringer ist, da hier der Sachverhalt bereits aufgeklärt ist, lediglich Rechtsansichten ausgetauscht werden und die Parteien bereits in den Vorinstanzen die Gelegenheit hatten, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vorzutragen.
- Verlängerung der Klagefrist
Neben diesen prozessualen Änderungen soll auch das KSchG geändert werden:
In § 25a KSchG wird die Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage künftig von drei auf fünf Wochen verlängert. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Rechtsdurchsetzung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Vorliegen einer Epidemie erschwert wird, zumal das Versäumen der Klagefrist aufgrund der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG besonders empfindliche Folgen hat.
Alle vorgenannten Maßnahmen sollen auf den 31. Dezember 2020 befristet werden.