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Das BAG zur Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis: keine “starren” Regelwerte, kein vorgezogener Kündigungsschutz

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Aus der am 30. Oktober 2025 verkündeten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil v. 30.10.2025 – 2 AZR 160/24) lassen sich zwei wichtige Feststellungen für die arbeitsrechtliche Beratungspraxis ableiten:

1. Es gibt keinen allgemeingültigen Regelwert, der die Grenze der Verhältnismäßigkeit der Länge einer vereinbarten Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis bestimmt: Vielmehr ist in jedem Einzelfall eine Abwägung unter Berücksichtigung der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit möglich und durchzuführen. Der Arbeitgeber kann – z.B. durch einen detaillierten Einarbeitungsplan – darlegen, warum er die gewählte Länge der Probezeit für angemessen erachtet.

2. Der gesetzliche Kündigungsschutz wird nicht vorverlagert: das Bundesarbeitsgericht sieht „keine rechtliche Veranlassung“, dass auch die Dauer der gesetzlichen Wartezeit von sechs Monaten (§ 1 Abs. 1 KSchG) bei für kurze Zeit befristeten Arbeitsverhältnissen angemessen verkürzt werden müsste, weil die Länge der Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtlaufzeit des Vertrages stehen muss.

Insbesondere die letzte Feststellung ist wichtig, da teilweise argumentiert wird, dass Artikel 8 Abs. 2 der Arbeitsbedingungen-RL (EU) (AB-RL) verlange, dass (auch) § 1 Abs. 1 KSchG entsprechend ausgelegt werden müsse.

Der Revisionsentscheidung liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit und den Beendigungstermin einer ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden und auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitsvertrag sah eine viermonatige Probezeit vor, während der beide Parteien das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen kündigen konnten sowie ein ordentliches Kündigungsrecht für jede Partei nach Ablauf der Probezeit. 

Die Beklage kündigte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit ordentlich unter Einhaltung der Probezeitkündigungsfrist. Die Klägerin erhob hiergegen Kündigungsschutzklage und behauptete, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte viermonatige Probezeit mit Blick auf § 15 Abs. 3 TzBfG und damit auch die der Probezeitvereinbarung zugrunde liegende Vereinbarung zur ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses insgesamt unwirksam sei, so dass die Kündigung, die im Übrigen auch nicht durch einen Kündigungsgrund gem. § 1 KSchG gerechtfertigt werden könne, insgesamt keinen Bestand habe. Aus europarechtlichen Erwägungen (Art. 8 Abs. 2 AB-RL) ergäbe sich, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen unter zwölf Monaten die Dauer der Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG ebenfalls in einem angemessenen Verhältnis zur vereinbarten Gesamtlaufzeit des Arbeitsvertrages stehen müsse, und sich damit der Kündigungsschutz zu ihren Gunsten vorverlagere.

Die Beklagte verteidigte die Dauer der Probezeit damit, dass für die Tätigkeit der Klägerin ein erheblicher Einarbeitungsaufwand erforderlich gewesen sei, und legte einen detaillierten Einarbeitungsplan vor. 

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht vertraten die Auffassung, dass die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis nicht bereits nach Ablauf der zweiwöchigen Probezeitkündigungsfrist sondern erst unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beenden konnte, wiesen die Klage aber im Übrigen ab. Das Berufungsgerichts bewertet die Probezeit als unverhältnismäßig (und die entsprechende Vertragsklausel damit als unwirksam), weil die festgelegte Dauer von vier Monaten nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtbefristungsdauer des Arbeitsvertrages von zwölf Monaten stand und befand, dass die Grenze der Angemessenheit bei 25% liege, die hier überschritten wurde.

Dieser Auffassung hat das Bundesarbeitsgericht nun eine Absage erteilt und klargestellt, dass es keinen Regelwert von 25% gibt, sondern vielmehr in jedem Einzelfall eine Abwägung durchzuführen ist, die die erwartete Dauer der Befristung und die Art der Tätigkeit berücksichtigt. Im konkreten Fall sei es der Beklagten gelungen, durch Vorlage des detaillierten Einarbeitungsplans überzeugend zu begründen, warum bei einer Gesamtdauer von zwölf Monaten, eine Probezeit von vier Monaten erforderlich und veranlasst gewesen ist. Das Arbeitsverhältnis konnte insofern rechtswirksam bereits durch die Probezeitkündigung beendet werden. 

Weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht teilten die Auffassung der Klägerin, nach der auch die Wartezeit auf ein angemessenes Verhältnis zur Gesamtlaufzeit des befristeten Arbeitsvertrages hätte verkürzt werden müssen.  

Das Bundesarbeitsgericht bestätigt diese Auffassung erfreulicherweise. In der bisher ausschließlich vorliegenden Pressemitteilung heißt es insofern lediglich lapidar, dass das Gericht „keine rechtliche Veranlassung gehabt“ habe, von einer Verkürzung auch der gesetzlichen Wartezeit auszugehen. Dies lässt darauf schließen, dass das Bundesarbeitsgericht die Arbeitnehmerargumentation, die zu einer Vorverlagerung des Kündigungsschutzes führen würde, für wenig überzeugend hält. 

Das Landesarbeitsgericht hatte  bereits – mit überzeugenden Argumenten – darauf verwiesen, dass § 1 Abs. 1 KSchG einer richtlinienkonformen Auslegung nach nationalen, methodischen Grundsätzen nicht zugänglich sei, da die klare Wartezeitregelung keinen Spielraum für eine Auslegung lasse und im Übrigen Art. 8 Abs. 2 AB-RL die Mitgliedstaaten lediglich dazu verpflichte, dafür Sorge zu tragen, dass die Probezeitdauer im Verhältnis zur Gesamtvertragslaufzeit angemessen sei, also bereits dem Wortlaut der Richtlinie kein Wille des europäischen Richtliniengebers zu entnehmen sei, dass auch die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes in zeitlicher Hinsicht vorverlegt werden müsse. 

Empfehlungen für Arbeitgeber:

Auch wenn das Bundesarbeitsgericht starren Regelwerten bei der Bestimmung einer (angemessenen) Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis eine Absage erteilt hat und insofern die Vertrags- und Abschlussfreiheit und damit die Flexibilität beider Vertragsparteien wünschenswert stärkt, empfehlen wir gleichwohl in den Fällen, in denen die Probezeit mehr als ein Viertel der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses ausmacht, die Erforderlichkeit der entsprechend vereinbarten Dauer der Probezeit durch einen detaillierten, ggf. nach Einarbeitungsphasen differenzierenden, Plan zu begründen. 

Dass das Bundesarbeitsgericht – jedenfalls in der Pressemitteilung – den Aspekt der Wartezeitverkürzung knapp hält, lässt darauf schließen, dass das Gericht den Argumenten, die für eine Vorverlagerung des Kündigungsschutzes angeführt werden, keine hohe Bedeutung bemisst, so dass diese Diskussion nun hoffentlich nicht weitergeführt werden muss. Letztlich ist natürlich die Urteilsbegründung abzuwarten.

Jacob Keyl

Jacob Keyl ist berät im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht, insbesondere bei Reorganisations- und Personalabbaumaßnahmen, einschließlich des Sozialversicherungsrechts und Datenschutzrechts. Außerdem vertritt Jacob Keyl unsere Mandanten vor den Arbeitsgerichten einschließlich des Bundesarbeitsgerichts und vor der Einigungsstelle.

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