Arbeitsverhältnisse können auf verschiedenen Wegen beendet werden. Einen äußerst praxisrelevanten Beendigungstatbestand stellt dabei der Aufhebungsvertrag dar, in dem die Arbeitsvertragsparteien einvernehmlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren. Dabei gilt es neben den bekannten Formalien (insbesondere der Einhaltung des Schriftformerfordernisses) auch einige gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Anforderungen zu beachten, um die Rechtswirksamkeit des Aufhebungsvertrags sicherzustellen und das Risiko einer späteren Anfechtung durch den Arbeitnehmer zu minimieren. Unter anderem ist das Gebot fairen Verhandelns zu berücksichtigen, zu welchem das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich erneut Stellung genommen hat:
Aufhebungsvertrag als Reaktion auf mutmaßliche Verfehlungen
In dem vom BAG entschiedenen Fall (Urteil vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21) stritt eine Arbeitnehmerin mit ihrem Arbeitgeber um die wirksame Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag. Die Arbeitnehmerin und spätere Klägerin war als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik beschäftigt gewesen. Der Arbeitgeber beschuldigte die Arbeitnehmerin, sie habe Einkaufspreise im EDV-System unberechtigterweise abgeändert bzw. reduziert, um einen höheren Verkaufsgewinn vorzutäuschen. Ende 2019 kam es aufgrund dieser Anschuldigungen zu einem gemeinsamen Gespräch, bei dem neben dem Geschäftsführer des Arbeitgebers auch die Arbeitnehmerin und deren Rechtsanwalt anwesend waren. Nach einer zehnminütigen Pause, während der die Anwesenden schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Arbeitnehmerin einen vom Arbeitgeber vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Der Aufhebungsvertrag sah eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Monatsende vor.
Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags?
Im Anschluss zog die Arbeitnehmerin jedoch vor das Arbeitsgericht und wollte die Fortdauer ihres Arbeitsverhältnisses über das im Aufhebungsvertrag vereinbarte Beendigungsdatum hinaus feststellen lassen. Sie behauptete, ihr seien eine außerordentliche Kündigung und die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden, falls sie dem Aufhebungsvertrag nicht zustimme. Zudem seien ihr eine Bedenkzeit und die Möglichkeit der Einholung weiteren Rechtsrats verwehrt worden.
Gebot fairen Verhandelns nicht verletzt
Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass das Arbeitsverhältnis wirksam durch den Aufhebungsvertrag beendet worden war. Insbesondere sah das BAG in seiner Entscheidung, zu der bisher nur die Pressemitteilung vorliegt, keinen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns.
Kommt ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande, kann das Arbeitsgericht dessen Unwirksamkeit feststellen. Dies ist in der Praxis jedoch auf Ausnahmefälle beschränkt, etwa wenn der Arbeitgeber den erkrankten Arbeitnehmer unangekündigt Zuhause aufsucht und dessen krankheitsbedingte Schwächung ausnutzt, um einen Aufhebungsvertrag zu schließen (vgl. BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18).
Angebot des Aufhebungsvertrags zur sofortigen Annahme
Im vorliegenden Fall sah das BAG die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin nicht dadurch verletzt, dass das Angebot des Aufhebungsvertrags durch den Arbeitgeber nur zur sofortigen Annahme unterbreitet worden war und die Arbeitnehmerin deswegen sofort über das Angebot entscheiden musste.
Androhung von außerordentlicher Kündigung und Strafanzeige
Auch das Inaussichtstellen weiterer rechtlicher Konsequenzen gegenüber der Arbeitnehmerin erachtete das BAG für zulässig. Der Arbeitgeber durfte in Anbetracht der Umstände sowohl eine außerordentliche Kündigung als auch eine Strafanzeige ernsthaft erwägen.
Aufhebungsverträge in der arbeitsrechtlichen Praxis
Mit dieser Entscheidung hat das BAG das Gebot fairen Verhandelns im Hinblick auf Aufhebungsverträge weiter konkretisiert. Arbeitnehmer:innen einen Aufhebungsvertrag zur ausschließlich sofortigen Annahme zu unterbreiten, verletzt grundsätzlich nicht das Gebot fairen Verhandelns. Ausnahmen gelten dann, wenn weitere Umstände, wie z.B. eine krankheitsbedingte Schwächung auf Seiten der Arbeitnehmer:in hinzutreten.
Um auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt es sich, Arbeitnehmer:innen einige Tage Bedenkzeit und die Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Beratung einzuräumen. Das verringert das Risiko, dass Arbeitnehmer:innen ihre Entscheidung, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, später bereuen und diesen gerichtlich anfechten.
Arbeitgeber:innen dürfen Arbeitnehmer:innen auch die Ergreifung weiterer rechtlicher Schritte – für den Fall, dass diese den Aufhebungsvertrag nicht akzeptieren – in Aussicht stellen. Dies gilt allerdings nur, sofern diese Schritte in Anbetracht der Umstände angemessen erscheinen.
Verhandlungstipps für Aufhebungsverträge
Nur in Ausnahmefällen dürfte sich die Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrags im Nachhinein aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns ergeben. Jedoch sollten Arbeitgeber:innen Arbeitnehmer:innen während der Verhandlungen keinesfalls (be)drohen oder sie bewusst täuschen. Das Inaussichtstellen einer Strafanzeige und/oder einer außerordentlichen Kündigung (falls der Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet wird) ist hingegen möglich, wenn solche Schritte aufgrund der Umstände des Falles angemessen erscheinen.
Beim Verhandeln eines Aufhebungsvertrags müssen Arbeitgeber:innen somit weder eigene Interessen leugnen noch eine besonders angenehme Verhandlungssituation schaffen. Aufhebungsvertragsverhandlungen müssen zudem auch nicht vorher angekündigt werden.